Weiterführende Links zum Instagram-Post: Was ist Sexismus?

Hier sind nachfolgend ein paar Links, falls ihr euch nach dem letzten Post weiter mit dem Thema beschäftigen wollt.

Ihr wusstet gar nicht, dass man uns auf Insta findet? Schaut mal hier.

Literatur:

„Unsichtbare Frauen – Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkeru ignoriert“ von Caroline Criado-Perez, 2020

„Closing the Gender Pay Gap in Medicine – A Roadmap for Healthcare Organizations and the Women Physicians Who Work for Them“ von Amy S. Gottlieb, 2021

„The Pink Tax – Dismantling A Financial System Designed To Keep Women Broke“ von Janine Rogan, 2023

„Sei kein Mann – Warum Männlichkeit ein Albtraum für Jungs ist“ von J J Bola, 2021

„Der gemachte Mann – Konstruktion und Krise von Männlichkeiten“ von Raewyn Connell, 2015

Podcasts

Let’s talk about Sexism- Podcast

Feuer und Brot, Folge: Schön vs. Schlau – Sexismus im Feminismus

Linke Theorie, Folge: Sexismus

Die Alltagsfeministinnen, Folge: Kein Kompliment – So entlarvst du benevolenten Sexismus

Überlieben, Folge: „Aber nicht alle Männer…“ – Sexismus, Übergriffe und male privilege

Update UNSER CAMPUS Juni 2023

Liebe Interessierte,

UNSER CAMPUS ist seit Mai 2023 wieder gegen Sexismus und sexualisierte Diskriminierung an der RUB aktiv.

Das Projekt ist nun an die Stabsstelle für Diversität und Antidiskriminierung angebunden und wird bald auch auf Instagram zu finden sein. Mit neuem Logo, Ideen und Konzepten möchten wir das Thema Sexismus auf den Campus bringen und mit einem mehrdimensionalen Ansatz potenzielle Aggressor*innen, von sexualisierter Belästigung potenziell Betroffene und universitäre Strukturen adressieren.

Wir sind bereits in der Planung verschiedener Workshops und Mitmach-Aktionen und einer Kampagne zur Sensibilisierung an der RUB. Diese werden über die Website und über Instagram angekündigt werden – stay tuned!

Über Impulse, Kooperationsanfragen und vieles mehr an unsercampus@ruhr-uni-bochum.de freuen wir uns.

Nina Bartholomé, Projektkoordinatorin

Wege der individuellen und strukturellen Awarenessarbeit

Hast du Angst, im Dunkeln über den Campus zu laufen?

Wurdest du im Seminar schon mal misgendert? Also dem falschen Geschlecht zugeordnet oder mit dem falschen Pronomen angesprochen?

Hat dir ein Kommilitone aus der Lerngruppe schon mal ungewollt ein Dickpic geschickt?

Dir ist das noch nie passiert? Anderen hingegen schon.

Der Moment, in dem du ein Bewusstsein für andere Lebensrealitäten und die Diskriminierungserfahrungen, die damit einhergehen können, entwickelst, nennt man Awareness. Übersetzt heißt Awareness so viel wie Achtsamkeit. Achtsamkeit hinsichtlich der eigenen Personen, anderer Menschen, der Umwelt: „Achte auf dich und auf andere, auf deine und ihre Grenzen und Bedürfnisse“ (Ann Wiesental)

Hier geht es also um das Schärfen des Bewusstseins für die eigenen Grenzen und Bedürfnisse, aber auch für die eigenen Stereotype und grenzüberschreitende oder diskriminierende Verhaltensweisen; sich seiner eigenen Position in der Gesellschaft und der damit verbundenen Privilegien bewusst zu sein. Eine Schwarze Frau macht in der Uni zum Beispiel andere Erfahrungen als eine weiße Frau.

Awareness geht aber über den Moment der Bewusstseinswerdung hinaus. Das Konzept, das aus der Psychologie stammt und von Aktivist*innen für ihre Arbeit nutzbar gemacht wurde, umfasst auch die sich aus dem Moment des Aware-Seins ergebenen Verhaltensänderungen. Wenn ich zum Beispiel weiß, dass eine Frau, die nachts vor mir (als Mann) herläuft und durch meine Anwesenheit Angst haben könnte, gehe ich demonstrativ etwas langsamer oder wechsele die Straßenseite. Oder wenn ich weiß, dass bestimmte Worte Menschen verletzen können, versuche ich sie demnächst einfach aus meinem Wortschatz zu streichen.

Manchmal merken wir erst durch die Reaktion unseres Gegenübers, dass wir uns grenzüberschreitend geäußert oder verhalten haben. In diesem Fall ist eine Entschuldigung angebracht und die Ambition, es das nächste Mal anders zu machen. Awareness bedeutet auch, anzuerkennen, dass Grenzen subjektiv sind. Das klingt erst mal kompliziert, weil es für uns nun mal einfacher ist, in Kategorien zu denken, aber mit ein bisschen Übung und Empathie lassen sich auch ungewohnte Situationen meistern. Jenny Odell bringt die mit Awareness verknüpfte Haltung auf den Punkt, wenn sie schreibt: „Einfaches Bewusstsein ist der Keim der Verantwortung“ (Jenny Odell)

Neben den erwähnten individuellen Denk- und Verhaltensweisen umfasst das Awarenesskonzept auch die strukturelle Ebene. Diskriminierung und Gewalt sind in unseren gesellschaftlichen Strukturen verankert. Strukturen, die aus historischen und gesellschaftlichen Machtverhältnissen gewachsen sind und bewusst sowie unbewusst Einfluss auf Individuen und Institutionen haben.

Die Arbeits- und Ausbildungsstätte Hochschule ist Abbild einer Gesellschaft und somit sowohl Ausdruck wie Produzentin der in ihr existierenden Diskriminierungsstrukturen und Hierarchien. Sexualisierte Diskriminierung und Gewalt sind Probleme, die in allen gesellschaftlichen Bereichen noch weitgehend tabuisiert sind und wenig Öffentlichkeit erfahren – so auch in der Hochschule und insbesondere der Forschung. Aus diesem Grund ist es wichtig, struktureller Diskriminierung zum Beispiel in Form von Sexismus mit entsprechenden Maßnahmen zu begegnen und angemessene Präventions-strategien zu entwickeln. Zu solchen Maßnahmen zählen u. a. Richtlinien, die darüber aufklären, was Sexismus, sexualisierte Belästigung und Gewalt sowie andere Formen der Grenzüberschreitung bedeuten, an wen man sich innerhalb der Hochschule im Notfall wenden kann und welche Möglichkeiten man als betroffene Person hat, sich zu wehren. Weitere Möglichkeiten sind Informations- und Sensibilisierungsworkshops zu den genannten Themen für alle Mitglieder der Hochschule, Fortbildungen für Menschen mit Leitungsfunktion, verschiedene Aktionen zugeschnitten auf die unterschiedlichen Statusgruppen, diskriminierungsarme Öffentlichkeitsarbeit und vieles mehr.

„In zwischenmenschlichen Beziehungen an lokalen sozialen Orten können Verhaltensweisen, Annahmen und Sichtweisen zwar verändert werden, doch zieht das leider noch keinen strukturellen Wandel nach sich.“ (Wiesental)

Aus diesem Grund müssen die individuelle und strukturelle Ebene immer zusammengedacht werden, Awarenessarbeit muss dementsprechend auf beiden Ebenen ansetzen, um nachhaltig Kulturwandel anzustoßen.

Awarenessarbeit hat also zum Ziel, eine Sensibilität und Offenheit für andere Lebensrealitäten und damit verbundene Erfahrungen zu schaffen, aber auch Betroffenen Schutz zu bieten. Grundvoraussetzung dafür ist das Erkennen und die Infragestellung der eigenen Stereotype und Vorurteile und die Motivation, diese abzubauen. Im feministischen Kontext bedeutet das, sexistische Strukturen und Verhaltensweisen zu erkennen, einen Weg zu finden, diese zu benennen und ihnen aktiv entgegenzutreten. Sich dieser diskriminierenden Gesellschaftsstrukturen oder Verhaltensweisen bewusst zu werden, verlangt Reflexionsarbeit und ein kontinuierliches (Dazu-)Lernen. Es braucht Courage und auch Empathie, sich mit der eigenen Position in der Gesellschaft und den damit verbundenen Privilegien auseinanderzusetzen und Diskriminierung zu erkennen. Auf die „eigenen ‚Mängel‘“ wird man in der Regel von anderen hingewiesen. Das heißt, Diskriminierung spürt man, den eigenen Privilegien muss man sich erst gewahr werden.

Awarenessarbeit ist eine lebenslange Aufgabe. Veränderungen finden immer im Austausch statt, sei es durch Gespräche mit Freund*innen, beim Lesen eines Buches oder dem Besuchen von Veranstaltungen.

„Reflexion geht vor und zurück, verläuft im Zickzack, beschreibt Kreise und bleibt auch mal irgendwo stecken.” (ebd.)

Es gibt nicht die eine Lösung oder einen Fahrplan, der auf alle Situationen oder Institutionen anwendbar ist. Es ist nötig, die Gegebenheiten immer wieder zu reflektieren, um auf konkrete Strukturen, Ereignisse und Menschen einzugehen.

Mehr zum Thema findet ihr in unserem Moodle-Kurs!

Odell, Jenny (2021): Nichts tun. Die Kunst, sich der Aufmerksamkeitsökonomie zu entziehen. München: Verlag C.H. Beck.

Wiesental, Ann (2017): Antisexistische Awareness. Ein Handbuch. Münster: Unrast Verlag.

#KeineMehr Internationaler Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen

Heute ist der Internationale Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen. Dieser Aktions- und Gedenktag hat eine über 60-jährige Geschichte:

Im Jahr 1960 werden am 25.11. die Hermanas Maribal ermordet. Sie hatten sich in der Bewegung ’14. Juni‘ gegen das herrschende, diktatorische Regime engagiert. Vorher wurden sie bereits mehrfach verhaftet. Der Auftragsmord geschah auf dem Rückweg von einem Gefängnisbesuch bei ihren Ehemännern.

Im Jahr 1981 rufen lateinamerikanische und karibische Feminist*innen den ‚Dia Internacional de la No Violencia Contra la Mujer‘ aus.

Im Jahr 1999 wird der Gedenk- und Aktionstag offiziell von der UN aufgegriffen. Die Farbe Orange steht dabei für eine Zukunft ohne Gewalt an Frauen.

Seitdem finden jedes Jahr viele Veranstaltungen & Aktionen rund um den 25. November statt! In vielen Städten werden beispielsweise bekannte und öffentliche Gebäude Orange angestrahlt.

Deutlich wird, dass insbesondere Personen, die Mehrfachdiskriminierung erleben, auch ein höheres Risiko haben, von Gewalt betroffen zu sein.

🔸 Jede 3. Frau in Deutschland ist mindestens einmal in ihrem Leben von physischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen.

🔸 81% der Betroffenen von Partnerschaftsgewalt sind Frauen

🔸 139 Frauen wurden 2020 durch Partnerschaftsgewalt getötet

🔸 2-3x häufiger haben Frauen mit Behinderung in ihrer Kindheit und Jugend sexualisierte Gewalt erfahren, im Vergleich zu Frauen ohne Behinderung.

🔸 782 Straftaten von Hasskriminalität gegen queere Personen – darunter 154 Gewalttaten mit 144 Körperverletzungen – wurden laut Bundesinnenministerium 2020 bundesweit registriert. 36% mehr als im Vorjahr.

Gewalt ist ein komplexes Phänomen. Gewalt ist vieldeutig und vielschichtig.
Was genau mit Gewalt gemeint ist, darüber streiten sich selbst die Expert*innen. Insbesondere feministische Gewaltforscher*innen und später Geschlechterforscher*innen kritisieren aber, dass ein zu enger Gewaltbegriff, der nur körperliche Handlungen als Gewalt zählt, die vielen unterschiedlichen Formen von Gewalt, die mehrheitlich Frauen treffen, unsichtbar macht.

Ein Gewaltbegriff der neben direkter körperlicher und psychischer Gewalt auch strukturelle Gewalt einbezieht, ermöglicht zudem die Analyse des Kontextes, in dem Gewalt ausgeübt wird. Er legt geschlechtsspezifische Machtverhältnisse offen.
Gewalthandlungen bei denen das angenommene Geschlecht der betroffenen Person und in der Regel des Täters eine Rolle spielen, werden auch als geschlechtsspezifische Gewalt bezeichnet. Darunter fallen z.B. sexualisierte Übergriffe, Vergewaltigung, häusliche Gewalt oder Stalking.

Nach einer Fokussierung auf weibliche Opfer und männliche Täter fand innerhalb der Gewaltforschung eine Öffnung statt. In einer mehrdimensionalen Perspektive werden sowohl Frauen als Täterinnen und Männer als Betroffene in den Blick genommen, sowie Gewalt unter Männer, gegen Mitglieder der LGBTIQA-Community oder in homosexuellen und queeren Beziehungen.

Eine zusätzliche Erweiterung stellt die Forderung nach einem intersektionellen Gewaltbegriff dar – also nach einem Analyserahmen, der neben Geschlecht weitere Diskriminierungsformen berücksichtigt.

Wir brauchen neue Vorbilder: Ein Gespräch mit Prof. Dr. Karim Fereidooni über Rassismus an deutschen Hochschulen

© Privat

Karim Fereidooni ist Juniorprofessur an der RUB und forscht an der Fakultät für Sozialwissenschaft im Bereich der Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung mit dem Schwerpunkt Rassismuskritik. In seinen Seminaren sitzen also zukünftige Lehrer*innen, die später beispielsweise Politik unterrichten wollen.

Für unseren Moodle-Kurs hat er uns einige Fragen zum Thema Rassismuskritische Hochschule beantwortet, denn Unser Campus setzt sich neben einer antisexistischen Perspektive auch für einen antirassistischen Campus ein, an dem verschiedene Lebensrealitäten von Hochschulangehörigen durch intersektionale Diskriminierung geprägt werden.

Im Interview hat uns Prof. Karim Fereidooni erklärt, wie es um rassismuskritische Forschung an der Uni steht, dass zum Beispiel kaum Gelder für Forschungsprojekte bereitgestellt wurden und die Bereitschaft für eine Auseinandersetzung mit Rassismus und Rassismuskritik als Analysekategorie bei den Kolleg*innen eher gering ist. Eine gute Neuigkeit ist aber die Ausschreibung des Bundesministeriums für Forschung und Bildung (BMBF) für eine instutionalisierten Rassismusforschung. Vorangetrieben wurde diese Entwicklung durch die Black Lives Matter-Proteste im vergangenen Jahr.

Fereidooni zeigt im Interview auch blinde Flecken innerhalb der Forschung auf: „Wir brauchen Studien zu Ungleichheitsstrukturen auf unserem Campus und in unserer Gesellschaft, aber wir brauchen auch Menschen, die sich mit der Umsetzung von Maßnahmen auskennen und vor allem brauchen wir […] Menschen, die anerkennen, dass wir nicht in hierarchiefreien Räumen leben. Wir brauchen Menschen, die anerkennen, dass Rassismus, Sexismus, Klassismus, Heteronormativität und so weiter, Strukturierungsmerkmale unserer Gesellschaft sind.“

Neben der Auseinandersetzung mit Ungleichheitsstrukturen haben Hochschulen die Verantwortung, konkrete Maßnahmen umzusetzen und zu institutionalisieren. Auch dafür hatte Professor Fereidooni einige Vorschläge, wie z.B.  Anlauf- und Beratungsstellen, die sich konkret mit intersektionalen Diskriminierungsformen auseinandersetzen, und die für betroffene Studis und Hochschulangehörige einfach und gut zu erreichen sind.

Außerdem betont Professor Fereidooni die Haltungsfrage bei Lehrenden:  Welche Materialien stelle ich in meinen Seminaren und Vorlesungen bereit?  Wen stelle ich eigentlich in meinem Team an der Uni oder der Hochschule an? Wieso ist die Studierendenschaft oft viel diverser als der akademische Betrieb? Dass auch diese beiden Fragen in Zusammenhang stehen, fasst er wie folgt zusammen: „Das führt wiederum dazu, dass Studierende of Color und Schwarze Studierende keine einzige Schwarze Professorin sehen oder keinen Schwarzen Professor sehen, dann glauben sie nicht daran, dass sie das auch mal irgendwann schaffen können, wenn sie denn wollen. Rollenvorbilder sind ganz, ganz wichtig.“

Auch für weiße und anderweitig privilegierte Studis ist es von Bedeutung, sich für Ungleichheitsstrukturen zu sensibilisieren: Weiße Studierende sollten sich ganz egoistisch mit Rassismus beschäftigen. Rassismus bringt nicht nur mir als Menschen of Color etwas bei, sondern auch weißen Studierenden. Rassismus bringt weißen Studierenden bspw. muslimische Menschen als potenziell gefährlich wahrzunehmen oder als Opfer ihrer Religion, je nachdem. […] Weiße Menschen erlernen eine Fantasie über Schwarze Menschen, über Menschen of Color und wenn sie nicht von diesen Fantasien regiert werden wollen, dann sollten sie sich ganz egoistisch mit Rassismuskritik beschäftigen, um eben diese Bilder zu verlernen.“

Am Ende des Interviews haben wir uns noch etwas Zeit zum Träumen genommen und Herrn Fereidooni gefragt, wie er sich eine antirassistische Hochschule vorstellt – hört selbst!

Männlichkeit(en) und Toxic Masculinity – ein Gespräch mit Fikri Anıl Altıntaş

Wir möchten Euch herzlich zu unserer Veranstaltung „Männlichkeit(en) und Toxic Masculinity“ am 10.11.21 von 19-20 Uhr einladen. Die Veranstaltung besteht aus einem Input des Autors und #HeforShe Botschafters Fikri Anıl Altıntaş mit anschließendem Gespräch. Das Ganze wird via Zoom stattfinden. Anmelden könnt Ihr Euch bis zum 09.11.21 unter unsercampus@rub.de

Foto: Johanna Legid

Fikri Anıl Altıntaş gibt in seinem Input einen Überblick über den Begriff „(Toxische) Männlichkeit(en)“, was er bedeutet, wie er selber zu einer bestimmten Form der Männlichkeit sozialisiert wurde und was das alles mit unterschiedlichen Formen von sexualisierter Gewalt zu tun hat.

Warum ist der Begriff praktisch, aber auch gefährlich? Welchen Einfluss haben Politik und Gesellschaft an Männlichkeit(en)? Und wie können besonders cis Männer anfangen, sich von traditioneller Rollenbildern zu lösen?

Fikri Anıl Altıntaş [er] ist freier Autor aus Berlin und #HeForShe Botschafter von UN Women Deutschland. Er schreibt über (kritische) Männlichkeit(en), Rollenbilder, Konstruktion von marginalisierten, nicht-weißen Männlichkeiten und postmigrantischen Themen. In seinen Texten reflektiert er u.a. seine persönliche Sozialisation als auch Narrative über rassifizierte, türkisch-muslimisch gelesene cis-hetero Männer in einer weißen Mehrheitsgesellschaft. Seine Texte sind bereits u.a. in der Taz, der Freitag, Pinkstinks und Neues Deutschland erschienen.

Rassismuskritische Hochschule

Text: Alina Adrian

Rassismus ist eine spezifische Form der Diskriminierung gegenüber nicht-weiß gelesenen Menschen: Anti-Schwarzer Rassismus, antimuslimischer Rassismus, antiasiatischer Rassismus sowie Rassismus gegenüber Rom*nja und Sinti*zze. Je nach theoretischer Grundlage kann auch Antisemitismus dazu gezählt werden. Diese verschiedenen Rassismen sind historisch gewachsene Konstrukte mit verschiedenen Entstehungsgeschichten, um Gewalt und Unterdrückung gegenüber nicht-weiß gelesenen Menschen zu legitimieren. Bis heute strukturieren rassistische Wissensbestände unsere Welt. Das bedeutet, erstens sind wir alle eingebettet in diese Ungleichheitsstruktur und zweitens, dass wir alle rassistische Wissensbestände und Verhaltensweisen erlernt haben.

Aber es ist sehr wichtig zu verstehen, dass uns Rassismus nicht auf dieselbe Art und Weise betrifft, sondern dass weiße Menschen weiße Privilegien haben, die nicht-weiße Menschen nicht haben und dass nicht-weiße Menschen Diskriminierungen und Gewalt erfahren, die weiße Menschen niemals erfahren können.
Dabei ist rassistische Diskriminierung nicht alleine stehend: Eine Schwarze Frau erfährt eine andere Form der Diskriminierung als ein muslimischer Mann.

Auch unser Campus ist keine rassismusfreie Zone:

Rassismus ist in die Institution Hochschule eingeschrieben, beispielsweise in Form des institutionellen Rassismus. Rassismus spielt sich auf verschiedenen Ebenen ab: Es gibt den institutionellen, den internalisierten und den interpersonalen Rassismus und den Alltagsrassismus. 

„Auf diesen Ebenen werden Machtverhältnisse geschaffen, die die gesellschaftlichen Strukturen und sogar globare Hierarchien zwischen Ländern und zwischen Kontinenten herstellen. Der Begriff ’struktureller Rassismus‘ bezeichnet dementsprechend rassistische Machtmechanismen, die in Individuen, Gesellschaften oder Institutionen verankert sind und diese negativ beeinflussen.“ (Natasha A. Kelly).

Hier geht’s zum Interview mit Prof. Karim Fereidooni zum Thema rassismuskritische Hochschule!

Hochschulen und strukturelle Diskriminierung: Ungleichheiten in der akademischen Laufbahn

Text: Alina Adrian

Hausarbeiten schreiben, im Labor stehen oder Tutorien leiten – manchmal merkt man im Studium schon, dass das Forschen und das Lehren und Lernen so viel Freude bereitet, dass der Gedanke aufkommt: Eigentlich will ich nicht mehr weg von der Universität!

Die akademische Laufbahn beginnt mit dem Bachelorstudium und endet im besten Fall mit der Berufung auf eine Professur. Die vielen Qualifizierungsschritte dazwischen – Master, Promotion und Habilitation, die Anstellung als wissenschaftliche Hilfskraft und später als wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in – erfordern ein immenses Durchhaltevermögen und eine gute Portion Glück aufgrund der meist prekären Verhältnisse durch Abhängigkeiten von Drittmittel-Anträgen, der befristeten Stellen und der Abhängigkeit von Beziehungen und Netzwerken. Auf Twitter teilen derzeit viele Betroffene, wie es ihnen im Wissenschaftsbetrieb geht oder ergangen ist: #IchBinHanna #IchBinReyhan #ACertainDegreeOfFlexibility

Wer letztendlich auf den akademischen Spitzenpositionen, bspw. der Lebenszeit-Professur, sitzen darf, hängt jedoch von wesentlich mehr Faktoren ab als von der eigenen Leistung.

Obwohl in NRW die Studierendenschaft nach Geschlecht fast paritätisch aufgeteilt ist und sogar mehr Frauen als Männer das Bachelorstudium abschließen, besetzen nur ein Viertel, um genau zu sein 25,2 %, Frauen eine Professur.
Dieses Phänomen nennt sich in der Wissenschaft Leaky Pipeline und wurde 1983 von Sue E. Berryman in ihrer Studie „Who will do Science?“ geprägt.

Die Leaky Pipeline in NRW in Zahlen:

    • Studierende: Männer 52,7 % und Frauen 47,3 % 
    • Absolvent*innen: 48,5 % Männer und 51,5 % Frauen
    • Promovierte: 56,5 % Männer und 43,4 % Frauen 
    • Habilitierte: 72,4 % Männer und 27,6 % Frauen
    • Professor*innen: 74,8 % Männer und 25,2 % Frauen 
    • W3-Professuren (mit Lehrstuhl): 76,5 % Männer und 23,5 % Frauen


Die
Leaky Pipeline im Detail:

Schon bei den Absolvent*innen tut sich die erste Lücke auf: Im Verhältnis machen zwar mehr Frauen einen Bachelorabschluss, aber den Master schließen bereits mehr Männer ab (Männer: 51,9 %/Frauen: 48, 1%). Und ab da geht die Schere immer weiter auseinander. Rechnet man zum Beispiel Universitäten mit Klinikum und Hochschulmedizin als Fach raus, liegt die Quote der promovierten Frauen nur noch bei ca. 30 %.

Besonders in der sogenannten Post-Doc-Phase verlassen viele Frauen die Wissenschaft.

Lediglich bei den im Jahr 2002 eingeführten Juniorprofessuren lässt sich eine geschlechtergerechtere Berufungsquote feststellen (43,2 % Frauen bundesweit). Juniorprofessor*innen können ohne Habilitation berufen werden, um bereits nach der Promotion unabhängig zu forschen, und sparen sich damit eine weitere Qualifizierungsphase. Auch diese Stellen sind jedoch oft befristet und ohne Tenure-Track und damit nicht zwingend auf Entfristung ausgelegt. Die berufliche Zukunft bleibt also unsicher.

Auch wenn man verschiedene Fächer betrachtet, ist eines besonders auffällig: Der Unterschied zwischen einer nahezu paritätischen Aufteilung nach (binär gedachtem) Geschlecht innerhalb der Studierendenschaft und die Zahl der Frauen, die am Ende eine Professur besetzen.
In den Geisteswissenschaften, den Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und in der Humanmedizin bzw. den Gesundheitswissenschaften gibt es sogar weitaus mehr als 50 % weibliche Studierende. In keinem dieser Fächer gibt es annähernd so viele weibliche Professorinnen. Den größten Gap gibt es im Fach Humanmedizin, in dem zwar 66,8 % der Studierenden und 60,1 % der Promovierenden weiblich sind, letztendlich jedoch nur 20,9 % der Professuren von Frauen besetzt sind. Ausgenommen von dieser Form des Gender Gaps sind allein die Ingenieurwissenschaften, in denen es insgesamt nur wenig weibliche Studierende gibt (ca. ein Fünftel).

Zusammenfassend lässt sich feststellen: Je höher die Hierarchieebene in der Wissenschaft, umso weniger Frauen finden sich dort. Aber woran liegt das?
Die sogenannte Qualifikationsphase in der Wissenschaft ist oft ungemein prekär und unsicher und fällt oft mit der Phase der Familienplanung zusammen. In Deutschland wird der größte Teil der unbezahlten Sorgearbeit immer noch von Frauen getragen, d. h., sie kümmern sich in der Regel mehr um Kinder, nehmen länger Elternzeit und arbeiten danach oft Teilzeit oder pflegen bedürftige Verwandte. Die Wissenschaft sieht jedoch keine Teilzeitbeschäftigung für Professuren vor, wenn es um Care-Arbeit geht. Nebenbei beispielsweise ein Architekturbüro zu leiten und deswegen in Teilzeit eine Professur zu besetzen, ist allerdings durchaus üblich. Auch wenn in den einzelnen Qualifizierungsschritten als wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in die meisten Stellen nur auf 50 % ausgelegt sind, liegt der Anspruch und die eigentliche Arbeitszeit meistens trotzdem bei 100 %.

Damit werden Frauen vor die Wahl gestellt: Wissenschaft oder Sicherheit bei der Familienplanung?

Dazu kommt die Problematik, dass Hochschulstrukturen und der Wissenschaftsbetrieb männlich und weiß dominiert sind.
Dies spiegelt sich auch in den Personalentscheidungen wider: Menschen neigen dazu, eher Menschen einzustellen, die ihnen ähnlich sind. Wenn also aufgrund von althergebrachten gesellschaftlichen Verhältnissen ein Großteil der Stellen auf Lebenszeit von weißen Männern besetzt sind, ist es sehr wahrscheinlich, dass diese ebenfalls weiße Männer einstellen und weiterempfehlen. Diesen Effekt nennt man homosoziale Kooptation. Die Ungleichheiten des Systems reproduzieren sich damit selbst. Weniger Frauen werden berufen, weniger Frauen sitzen in den entscheidenden Gremien.
Dasselbe gilt für Menschen mit Behinderung, für People of Color und Menschen mit Migrationsgeschichte, für queere Menschen und für Kinder aus Arbeiter*innenfamilien. Die Wissenschaft als Arbeitswelt ist bisher ein ausschließendes System.

Was ist mit Gewalt?
Dass es in starken Abhängigkeitsverhältnissen schneller zu Machtmissbrauch und damit zu rassistischer oder sexualisierter Gewalt kommt, ist kein Geheimnis (hierzu ein Info-Text von Unser Campus). Gleichzeitig ist es stark tabuisiert, als Betroffene*r Erfahrungen öffentlich anzusprechen oder sich gar zu beschweren, da ansonsten die Aussicht auf eine weitere Vertragsanstellung in der Befristungskette gefährdet ist. Sexistische und rassistische Vorurteile machen auch vor der Uni keinen Halt, sodass sich mehrfach diskriminierte Menschen in der Wissenschaft einer besonders starken Belastung aussetzen müssen (hier zu insbesondere #IchBinReyhan).

Neben Gleichstellungsmaßnahmen an Hochschulen bräuchte es auch tiefergehende Diversity-Maßnahmen, von denen in der Wissenschaft
nicht nur weiße Frauen profitieren, sondern im Besonderen People of Color und Menschen mit Migrationsgeschichte.
Durch das Fehlen marginalisierter Personengruppen in der Wissenschaft und an den Hochschulen entsteht eine Leerstelle, die nicht nur die Gegenwart beeinflusst, sondern auch zukünftige Forschung und Lehre und damit die zukünftige Gesellschaft. Ohne Vorbilder ist es für nachfolgende Generationen schwieriger, sich einen eigenen Platz an der Hochschule vorzustellen. Zudem werden damit Forschungsperspektiven ausgeblendet, die sich nicht als männlich und weiß positionieren.

Auch hier ist zu betonen: Die Unterrepräsentation queerer Menschen, Menschen mit Behinderung und Kindern aus Arbeiter*innenfamilien bestärkt diese Leerstelle um ein Vielfaches!

 

Es gibt also viel zu tun!

 

Hier einige Gleichstellungsmaßnahmen der RUB:


[Die Zahlen beziehen sich auf den Gender Report 2019, der mit Zahlen aus dem Jahr 2017 arbeitet. Alle drei Jahre wird der Gender Report neu veröffentlicht, der nächste steht im Jahr 2022 an.]


Unser Campus auf der bukof

„Solidaritäten gestalten. Für eine geschlechtergerechte Hochschulpolitik‘ ist das Thema der diesjährigen bukof-Jahresveranstaltung, die kommende vom 20.09-22.09.21 Woche online stattfindet.

Die Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen (kurz bukof) ist die „geschlechterpolitische Stimme im wissenschafts- und hochschulpolitischen Diskurs‘ und ermöglicht einen bundesweiten Austausch zwischen Gleichstellungsakteur*innen.

Zurück zur digitalen Jahrestagung…

Neben einer spannenden Keynote von Prof. Dr. Maisha Auma zu antirassistischer Gleichstellungspolitik organisiert die AG gender.macht.wissenschaft einen Roundtable mit verschiedenen Akteur*innen zu den Themen Sexismus und sexualisierte Gewalt in der Wissenschaft und an Hochschulen.

Wir von Unser Campus werden mit dabei sein und unser Projekt vorstellen. Wir freuen uns auf einen regen Austausch über Hürden, Strategien und Erfolge unserer Arbeit!

 

Jemand erzählt dir, dass er*sie einen sexualisierten Übergriff erlebt hat

Bleib‘ ruhig

Wenn dir jemand erzählt, dass er*sie sexualisierte Gewalt erlebt hat, wird dich das wahrscheinlich schockieren. Vielleicht macht es dich traurig oder wütend oder alles zusammen, aber wichtig ist, dass du versuchst, in der Situation einen kühlen Kopf zu bewahren, für die Person da zu sein und auf ihre Bedürfnisse zu achten. Sie benötigt jetzt deine Unterstützung.

Hör‘ zu

Die Person erzählt dir von ihrer Erfahrung, weil sie dir vertraut. Wenn du ihr zuhörst, wird sie sich weniger alleine fühlen. Außerdem hilft das Erzählen der Person dabei, sich besser an das Geschehene zu erinnern und zu verarbeiten. Also versuche, dich in dieser Situation zurückzunehmen und nur dann deine Einschätzung zu geben, wenn du explizit danach gefragt wirst.

Glaube der Person

Über sexualisierte Gewalt zu sprechen, fällt nicht leicht und setzt in der Regel ein Vertrauensverhältnis voraus. Also glaub‘ der Person ihre Geschichte und stelle sie nicht in Frage.

Aus dem Grund solltest du auf Fragen wie „Aber warum hast du auch diesen Weg genommen?“ oder „Warum bist du mit jemandem mitgegangen, den du kaum kennst?“ verzichten. Stattdessen kannst du der Person sagen, dass du ihr glaubst und dich für ihr Vertrauen bedanken.

Falls sie die Schuld für den Übergriff bei sich sucht, solltest du ihr bewusstmachen, dass es keine Rechtfertigung für das Überschreiten ihrer Grenzen geben kann und deshalb auch nur die Person Schuld trägt, die übergriffig geworden ist. So hilfst du ihr dabei, der eigenen Wahrnehmung wieder mehr zu trauen.

 

Frag‘ nach, wie du helfen kannst

Frag‘ die Person, wie du ihr am besten helfen kannst. Manchmal möchte sie in dem Moment nichts weiter, als dass du ihm* ihr ein offenes Ohr schenkst. Auch Mitleid oder ein Wutanfall à la „Ich könnte ihn umbringen“ helfen der Person in ihrer Situation meist nicht weiter.

Wenn du dich mit dem Erzählten überfordert fühlst oder nicht weißt, was du sagen sollst, kannst du das der Person mitteilen.

Gib‘ keine ungefragten Ratschläge und übe keinen Druck auf sie aus, indem du sie z. B. dazu drängst, zur Polizei zu gehen. Nur sie kennt ihr Tempo und Bedürfnisse, danach solltest du handeln.

 

Unterstütze die Person

Hilf der Person, sich selbst zu schützen, wenn der Angriff noch nicht vorüber ist.

Aber jeder Schritt muss mit ihr abgesprochen werden. Handele nicht auf eigene Faust. Während des sexualisierten Übergriffs wurden die Grenzen der betroffenen Person verletzt, so dass du nun sensibel vorgehen musst und es vermeiden solltest, ihr das Gefühl von einer wiederholten Überschreitung ihrer Grenzen zu geben.

Du kannst auch selber Hilfe in Anspruch nehmen

Auch wenn die Person sich an dich wendet, weil sie deine Unterstützung braucht, ist es wichtig, dass du auf deine eigenen Grenzen achtest. Falls du befürchtest, dich ‚falsch‘ zu verhalten, wende dich an eine Beratungsstelle. Dort wird sich auch um Angehörige und Freund*innen gekümmert. Hier kannst du auch Fragen zum Strafrecht stellen.

Das Hilfetelefon erreichst du zum Beispiel rund um die Uhr und auch an Wochenenden und Feiertagen: 08000 116 016 

 

Urteile nicht

Es kann auch sein, dass die Person sich nicht helfen lassen möchte, obwohl du aus deiner Perspektive Handlungsbedarf siehst. Im Fall von häuslicher Gewalt geht die Person eventuell auch wieder zur übergriffigen Person zurück. Stelle dich darauf ein, dass sie anders handelt, als du es in dem Moment erwartest oder es dir wünschst und mache ihr keinen Vorwurf daraus, auch wenn du die Entscheidung in dem Moment nicht nachvollziehen kannst. Habe Geduld und frage öfters nach, wie es der betroffenen Person geht.

In unserem virtuellen Selbstlernkurs erfährst du, was du tun kannst, um Diskriminierung und Gewalt entgegenzutreten.

Schon mal von Intersektionalität gehört?

„Es sind nicht unsere Unterschiede, die uns entzweien. Es ist unsere Unfähigkeit, diese Unterschiede zu erkennen, zu akzeptieren und zu feiern.“

(Original: „It is not our differences that divide us. It is our inability to recognize, accept, and celebrate those differences.‘)

Audre Lorde

 

„Ich sehe keine Hautfarbe. Ich sehe nur Menschen“ – vielleicht hast du diesen Satz schon mal gehört oder selber gesagt? Dieser Satz wird gewöhnlich von weißen* Menschen genutzt, um ihre antirassistische Haltung zu untermauern. Klar, die Intention dahinter ist gut, aber letztendlich werden durch ihn Lebensrealitäten von Menschen unsichtbar gemacht wie zum Beispiel von Schwarzen* Menschen, die bis heute aufgrund ihrer Hautfarbe Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren.

Das Zitat der Dichterin und Feministin Audre Lorde weist darauf hin, dass die verschiedenen Lebensrealitäten und (Diskriminierungs-)Erfahrungen von Menschen erkannt und ernstgenommen werden müssen, um ernsthaft Solidarität zu praktizieren.

Menschen können aufgrund vielfältiger Faktoren Diskriminierung erfahren: z. B. Geschlechtsidentität, Hautfarbe, sexuelle Orientierung, Religion, Alter, Behinderung, Klasse. Diese Diskriminierungsformen können aber auch mit einander verwoben sein. Ein trans Frau, die einen Rollstuhl benötigt, wird in der Uni andere Erfahrungen machen als ein cis Mann.

In der Wissenschaft wird in dem Fall auch von Intersektionalität gesprochen: damit wird auf die Wechselbeziehungen und Überlagerungen verschiedener Achsen der sozialen Ungleichheit und den daraus hervorgehenden spezifischen (Diskriminierungs-)Erfahrungen eingegangen. Die Rechtstheoretikerin Kimberlé Crenshaw prägte dafür den Begriff der Intersektionalität und mit ihm das Bild einer Straßenkreuzung, auf der sich ungleichheitsformende soziale Diskriminierungsverhältnisse schneiden und von denen Menschen daher sehr unterschiedlich betroffen sein können. Der Kampf für die Anerkennung von Differenz und Identität ist aber „so alt wie die Kämpfe gegen Versklavung und Kolonialismus“, schreibt die Soziologin Natasha A. Kelly. Schon 1851 stellte die Frauenrechtlerin Sojourner Truth in ihrer Rede bei der Womens Convention in Akron, Ohio, die Frage „Ain’t I a Woman?“ Bin ich keine Frau? Sie kritisierte unter anderem die Tatsache, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts kein Wahlrecht besaßen, und die Präsenz von Rassismus und Klassenunterdrückung innerhalb der Frauenbewegung selbst.

„Wissenschaftlich betrachtet ist Intersektionalität ein soziologisches Konzept, das erlaubt, Identität als vielschichtiges Konstrukt zu verstehen. Im Gegensatz zu Queer Theory, die Identitätskategorien an sich infrage stellt, funktioniert die Intersektionalitätstheorie wie ein Prisma, durch das einzelne Kategorien und ihre Verbundenheit miteinander betrachtet werden können.“ (Natasha A. Kelly 2017)

Mithilfe einer intersektionalen Perspektive können eindimensionale Analysen von Ungleichheit überwunden, Unterschiede und Identitäten anerkannt und gesellschaftliche Herrschaftsstrukturen sichtbar gemacht werden.

„Nicht gesehen werden, nicht gehört zu werden, ist unerträglich. Weil es unsere Menschlichkeit infrage stellt.“ (Emilia Roig 2021). 

Um Veränderung anzustoßen und Solidarität auszuüben, ist es notwendig, verschiedene Erfahrungen und Lebensrealitäten anzuerkennen, die eigene Verwobenheit in bestehende Herrschaftsstrukturen und die damit verbundenen Privilegien zu reflektieren und letztendlich am Abbau von Sexismus, Rassismus, Behindertenfeindlichkeit und anderen Diskriminierungsstrukturen mitzuwirken.


*Weißsein und Schwarzsein stehen nicht für biologische Eigenschaften oder gar reelle Hautfarben. Vielmehr soll durch diese Schreibweisen die politische und soziale Konstruktion kenntlich gemacht werden.

Schwarze Menschen ist eine politische Selbstbezeichnung und wird aus diesem Grund immer großgeschrieben. Diese Schreibweise verweist auf die gemachten Rassismuserfahrungen von Menschen. Auch hier geht es wieder nicht um biologische Eigenschaften oder eine Farbbezeichnung.

Weiße Menschen wird kursiv und im Satz kleingeschrieben. Diese Schreibweise verweist auf eine privilegierte Position innerhalb unserer Gesellschaft, die durch Rassismus strukturiert ist. Sie macht außerdem sichtbar, dass Weißsein keine ‚natürliche‘ Kategorie ist, sondern sozial konstruiert.

Wenn du mehr über das Thema Intersektionalität lernen möchtest, schau doch mal in unserem virtuellen Selbstlernkurs vorbei.

Queer im Leben: Für mehr Sichtbarkeit von LGBTQIA*-Personen in der Gesellschaft

Laut einer von der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) im Jahr 2020 veröffentlichten Umfrage unter LGBTI-Personen lebt die Hälfte der queeren Menschen ihre sexuelle Orientierung bis heute nicht offen aus. Dieses Ergebnis nahmen drei Mitarbeiter*innen des Seminars für Slavistik zum Anlass, um ihre Expertise und ihr Engagement in dem interdisziplinären Gleichstellungsprojekt „Queer im Leben“ zu bündeln. Mit dem vom Lore-Agnes-Programm geförderten Projekt möchten Michael Troitski-Schäfer, Daria Khrushcheva und Natalie Berg einen Austausch zwischen LGBTQIA*-Personen und Menschen fördern, die sonst wenig bis keine Berührungspunkte mit der queeren Lebenswelt haben. Laura Chlebos hat mit Natalie Berg über die Inhalte von „Queer im Leben“, die Lebensverhältnisse von in Russland lebenden LGBTQIA*-Personen und die Bedeutsamkeit von Vernetzung gesprochen.

 

Laura Chlebos: Vielen Dank, dass du dir für dieses Interview Zeit nimmst! „Queer im Leben“ heißt das Projekt – was steckt dahinter?

Natalie Berg: Das Rektorat der Ruhr-Universität Bochum hat im Sommer 2020 im Rahmen der Lore-Agnes-Projektausschreibung entschieden, unser interdisziplinäres Gleichstellungsprojekt, das dem Seminar für Slavistik/Lotman-Institut für Russische Kultur zugeordnet ist, mit Fördermitteln zu unterstützen. Derzeit entsteht bei uns nicht nur eine Lehrveranstaltung für den Studiengang Slavistik mit öffentlicher Vortragsreihe, sondern auch ein eigens für das Alfried Krupp-Schülerlabor konzipierter Projekttag für Schüler*innen der Mittel- und Oberstufe. Der thematische Schwerpunkt liegt auf der Region Osteuropa mitsamt der historischen, politischen und sozialen Bedingungen für die gesellschaftliche Entwicklung der queeren Community. Im Schülerlabor soll zudem die Arbeit von deutschen und russischen LGBT+-Organisationen vorgestellt werden. Auf diese Weise möchten wir einen Beitrag zur Sichtbarkeit der queeren Gemeinschaft in der Gesellschaft leisten und das Verständnis sowie Interesse für sie fördern. Unser Projekt zielt auf den Austausch zwischen LGBTQIA*-Personen und Menschen ab, die sonst wenig bis keine Berührungspunkte mit der queeren Lebenswelt haben.
 

Wer leitet das Projekt?

„Queer im Leben‘ wird noch bis zum 31. März 2021 von Michael Troitski-Schäfer geleitet. Daria Khrushcheva löst ihn zum Sommersemester ab, damit er sich unter anderem seinen Aufgaben bei Quarteera e.V. in Berlin widmen kann. Quarteera e.V. ist eine russischsprachige LGBT-Organisation in Deutschland.
 

Was ist eure Motivation hinter „Queer im Leben‘? Warum habt ihr es ins Leben gerufen? Welche Ziele verfolgt ihr mit dem Projekt?

Den Aufhänger für unser Projekt lieferte die Schlagzeile eines Zeit Online-Artikels, der Bezug auf die 2020 veröffentliche Umfrage der Agentur für Europäische Grundrechte (FRA) unter LGBTI-Personen in Europa nahm. Das Fazit der Studie war für uns wenig überraschend: Die Hälfte der queeren Menschen lebt ihre sexuelle Orientierung bis heute nicht offen aus.

Da wir drei uns bereits seit Langem aus unterschiedlichen Perspektiven und Motivationen heraus mit der LGBTQIA*-Gemeinschaft beschäftigen, wollten wir letztes Jahr ein Projekt auf die Beine stellen, das unsere Stärken mit unseren Interessenschwerpunkten vereint. Mit dem großen gesellschaftspolitischen Engagement von Michael inner- sowie außerhalb der Ruhr-Universität, Darias kulturwissenschaftlich weitreichender Expertise zum Thema und meiner Verbindung ins Alfried Krupp-Schülerlabor sowie den Erfahrungen, die ich über mehrere Jahre hinweg in der englischen LGBT+-Jugendarbeit sammeln konnte, musste sich etwas Fruchtbares ergeben!

Letztendlich möchten wir mit unserem Projekt die Sichtbarkeit des alltäglichen Lebens von LGBTQIA*-Personen in der Gesellschaft genauso fördern wie das Verständnis und Interesse für sie. Uns ist es ein Anliegen, dass queere Menschen ein Stück weit weniger vorverurteilt und diskriminiert werden – das geschieht nämlich noch immer Tag für Tag und nicht nur in osteuropäischen Ländern, sondern auch bei uns in den Schulen, bei Bewerbungsgesprächen oder – ganz platt und unvorhergesehen – beim Schlangestehen an der Supermarktkasse. Wir sind der Meinung: Das kann und darf nicht sein, denn wir sind alle nur Menschen! Unser Name ‚Queer im Leben‘ ist daher ein sprachlich ausformuliertes Augenzwinkern und bezieht sich auf die deutsche Redensart, jemand stehe „mit beiden Beinen‘ fest im Leben.
 

Slavistik ist ja schon ein eher spezielleres Fach. Warum ist hier eine queere Perspektive nötig?

Die Lebensverhältnisse von in Russland lebenden LGBTQIA*-Personen haben sich in den vergangenen Jahren beispielsweise so besorgniserregend verschlechtert, dass wir dies im Rahmen der slavischen Kulturwissenschaft thematisieren wollen und auch müssen – weil das Thema mehr Publizität braucht. Das mag den ein oder anderen auf den ersten Blick vermutlich wundern, allerdings reicht ein kurzer Streifzug durch die russische Rechtsgeschichte, um die Problematik dahinter zu verstehen:
Mit der Abschaffung des Paragrafen 121.1 im Mai 1993, durch den zuvor homosexuelle Kontakte mit Gefängnisstrafen belegt werden konnten, wurde die Regenbogengemeinschaft in Russland entkriminalisiert. Man ermöglichte somit im gleichen Atemzug einer zunehmend nach Öffentlichkeit strebenden LGBTQ-Bewegung, ihre Interessen offener als zuvor zu vertreten und endlich gehört zu werden.
Im Jahr 2013 änderte das sogenannte „Gesetz gegen homosexuelle Propaganda“ die Atmosphäre im Land jedoch erneut und zwang die queere Szene zurück ins Verborgene.

Die Abneigung gegen Homosexualität und das Tätigen homophober Aussagen ist in weiten Teilen der russischen Gesellschaft seitdem wieder salonfähig. Hasskriminalität nimmt zu. Immer wieder hört man Nachrichten aus verschiedenen russischen Regionen über ungeklärte Todesfälle sowie Verfolgungen, Verhaftungen und Folterungen von Homosexuellen.

Zwar sind homosexuelle Handlungen bis zum heutigen Zeitpunkt legal, jedoch werden Menschen überwiegend tabuisiert, die nicht Teil der staatlich propagierten, heteronormativen Gesellschaft sind. Diese sich daraus entwickelnde Ablehnung gegenüber sexuellen Minderheiten spiegelt sich allerdings nicht nur in der russischen Bevölkerung des 21. Jahrhunderts wider, sondern nimmt auch in anderen osteuropäischen Staaten, wie beispielsweise in Polen oder der Ukraine, einen festen Platz ein. Die Bemerkungen des tschetchenischen Oberhauts Ramsan Kadyrow, es gäbe keine Homosexuellen in seinem Land und „Sollten da welche sein, dann bringt sie nach Kanada!“, sind dabei nur die Spitze des Eisbergs.
 

Ich habe gelesen, dass ihr einen Projekttag mit Schüler*innen plant. Was sind die Inhalte des Tages und was möchtet ihr den Schüler*innen vermitteln?

Der übergeordnete Gedanke des Projekttags am Alfried Krupp-Schülerlabor ist es, den Brückenschlag zwischen kulturwissenschaftlicher Theorie und gelebter Praxis zu vollziehen. Daher bekommen die Schüler*innen in der ersten Lehreinheit einen Einblick in die akademische Arbeitswelt, indem wir sie mit der slavischen Forschung zur LGBTQ-Entwicklung Russlands mithilfe einer Art verkürzten Vorlesung vertraut machen.

Der zweite Teil ist als interaktives Format angelegt, in dem wir zahlreiche LGBTQIA*-Interessensvertretungen und ihr Wirken in verschiedenen Ländern vorstellen. Eines der Lernziele soll hierbei die Erkenntnis sein, dass bei der Arbeit von queeren Organisationen verschiedene Schwerpunkte – zum Beispiel Migration, Safer Sex oder psychische Gesundheit – gesetzt werden und sich diese historisch bedingt aus den unterschiedlichen Bedürfnissen der Community heraus (weiter-)entwickelt haben.
Im Anschluss erfolgt in der dritten Phase die selbstständige Aufarbeitung des Themenkomplexes in Kleingruppen mit einem Forschungsauftrag zu bereitgestellten und inhaltlich zusammenhängenden Theorie- und Praxisstationen. Angeleitet und unterstützt werden sie neben abgestimmten Lernmaterialien zum Lesen, Hören und Anfassen auch von mir und den im Vorfeld geschulten Projektleiter*innen.
Die Schüler*innen sollen sich auf diese Weise mit der Rezeption der LGBTQ-Gemeinschaft in Ost- und Westeuropa auseinandersetzen und ein Gespür für die Probleme und Bedürfnisse von LGBTQIA*-Menschen bekommen.

Der Projekttag ist ein Angebot, das sich primär an Schulklassen der fortgeschrittenen Sekundarstufe I sowie der Sekundarstufe II richtet, die sich gemäß des nordrhein-westfälischen Kernlehrplans mit Gleichstellungsthemen und im Besonderen mit der Regenbogengemeinschaft auseinandersetzen wollen.
 

Wofür steht das „+‘ hinter LGBT+?

Das „+‘ steht stellvertretend für weitere Geschlechtsidentitäten wie beispielweise „queer‘, „inter-‚ oder „asexuell‘. Die Bezeichnung „LGBT+‘ ist quasi nichts anderes als eine verkürzte Schreibweise von LGBTQIA* (lesbian, gay, bisexual, trans, queer, inter, asexual). Sie kommt bei uns immer dann zum Einsatz, wenn wir an unsere sprachlichen Gestaltungsgrenzen stoßen.

Auf ihrer Instagramseite geben die drei unter anderem einen Einblick in ihre Materialiensammlung für das Alfried Krupp-Schülerlabor. Mehr unter: instagram.com/queer_im_leben/

Wie ist die aktuelle Lage der queeren Community in Osteuropa? Sind die deutsche und die osteuropäische Community miteinander vernetzt?

Für die queere, osteuropäische Gemeinschaft ist das Internet nicht erst seit der Covid 19-Pandemie das Kommunikationsmedium der Wahl. In den letzten fünfzehn Jahren avancierte das WorldWideWeb zu der wichtigsten Plattform für den Austausch und Zusammenschluss untereinander. Aufgrund der überdauernden, feindlichen Atmosphäre in Russland ist man schlicht und ergreifend darauf angewiesen, vor allem über die Neuen Medien zu interagieren und weniger im direkt-persönlichen Austausch zu stehen – wenngleich dieser natürlich auch weiterhin stattfindet! Im Netz sind daher nicht nur zahlreiche Aktivist*innen anzutreffen, sondern auch Projekte und zivilgesellschaftliche Initiativen, wie zum Beispiel die NGO Rossijskaja LGBT-Set‘, Deti-404 oder die LGBT-Filmfestspiele „Bok o Bok‘. Natürlich gibt es auch etliche Onlineforen von und für bisexuelle, trans* Personen und vieles mehr.

Vor knapp zwei Monaten hatte ich zudem die Möglichkeit, mich online mit Mitgliedern der lesbisch-feministischen Organisation Sfera in Charkiw über queere Bildungsarbeit in Deutschland, der Ukraine und dem Vereinigten Königreich auszutauschen. Wir sprachen unter anderem über die Pride Parade in der Stadt, die erstmalig (!) 2019 stattfand, aber auch über eine rechtsradikale Gruppierung, die aus Langeweile heraus einen Filmabend in ihrem Gemeinschaftszentrum zu boykottieren versuchte – und scheiterte. Im Jahr 2020 hatte das Zentrum zu diesem Zeitpunkt bereits 19 Angriffe und Vandalismusattacken verzeichnen müssen.

Gibt es also die Vernetzung der deutschen und osteuropäischen Community? Jein. Sie findet vornehmlich im Privaten statt oder – wie in meinem Fall mit den Ukrainer*innen – im kleinen, halböffentlichen Kreis. Das liegt einerseits daran, dass ein Teil der queeren Osteuropäer*innen ihre Heimat zurücklässt, um sich aus dem Ausland heraus für LGBTQIA*-Rechte einzusetzen. Andererseits unterscheiden sich die innenpolitischen Herausforderungen, mit denen sich die LGBTQ-Bewegungen der jeweiligen Länder im direkten Vergleich konfrontiert sehen. Viele Kontakte nach Westeuropa, Kanada und in die USA hat jedoch beispielsweise Rossijskaja LGBT-Set‘. Nach den Massenverhaftungen, Folterungen und Ermordungen homosexueller Männer in Tschetschenien 2017 war in diesem Zusammenhang Deutschland eines der Länder, das den Verfolgten Asyl gewährte. Ich vermute allerdings, dass erst dann eine größere und vor allem sichtbare internationale Vernetzung stattfinden wird, wenn Probleme auf nationaler Ebene nachhaltig aufgelöst worden sind.
 

Möchtest du noch etwas über das Projekt sagen?

Die Zielgruppe unseres Projekts umfasst zwar primär Studierende, Schüler*innen und Lehrende, jedoch können sich auch weitere Interessierte gern und jederzeit mit uns zum Beispiel auf Instagram vernetzen oder an der im Sommer 2021 stattfindenden, öffentliche Vortragsreihe von „LGBTQ in Russland: Zwischen Politik, Medien und Kunst“* teilnehmen. Wir werden dort anhand konkreter Beispiele für Menschenrechtsverletzungen, sprich die von LGBTQIA*-Personen in Osteuropa, gemeinsam mit Gästen erörtern, warum sowohl Homo- als auch Xenophobie im Jahr 2021 noch immer eine Rolle im täglichen Miteinander spielen. Bei unserer Arbeit ist es uns nämlich besonders wichtig, dass wir in den Dialog mit anderen treten.

Die Einstellung der russischen „Otto-Normalverbrauchenden‘ zu den Themen Gleichheit und LGBT ist übrigens auch alles andere als eindeutig. Viele wollen überhaupt nicht darüber sprechen, andere reagieren bei einem Gesprächsversuch aggressiv und manche haben schlicht und ergreifend Angst vor dem Fremden. Es mag banal klingen, aber es ist so. In Deutschland scheint man da ein paar Schritte weiter zu sein, wenngleich auch hier weiterhin Vorverurteilungen und Ausgrenzungen im großen Stil stattfinden.
Uns ist letzten Endes bewusst, dass unser Projekt bei Weitem nicht alle Probleme der queeren Community in Deutschland und Osteuropa lösen kann. Wir möchten uns allerdings dafür engagieren, dass sich unsere Gesellschaft wieder stärker mit unbequemen Themen auseinandersetzt.

* Das gleichnamige Proseminar findet im Sommersemester 2021 freitags von 12 bis 14 Uhr statt.
 

Weitere Informationen zum Projekt findet ihr:

… auf der Homepage des Seminars für Slavistik/Lotman-Instituts für Russische Kultur.
… bei WDR COSMO (auf Russisch).
… im Interview mit Daria Khrushcheva (auf Russisch).
… auf Instagram (#QiL)

Eine Universität für Alle – Wie kommen wir dahin?

Dieser Artikel entstand im Rahmen des Seminars „Toxic Masculinity, Femizid, Kindsmörderin – Das Verhältnis von Gewalt und Geschlecht – eine Einführung“ (SoSe 2020).

Autorin: Lena Spickermann

42.954 Studierende sind aktuell an der Ruhr-Universität Bochum eingeschrieben wie der Webseite der Hochschule zu entnehmen ist. In dieser auf den ersten Blick schwindelerregend hohen Anzahl, sind noch nicht die dauerhaft Beschäftigten, ausländischen Studierenden, international Promovierenden und die Gäste der RUB inbegriffen. Sie alle finden Platz auf einem weitläufigen Campusgelände, das für sich genommen fast wie eine eigene Miniatur-Stadt anmutet, in der man leicht die Orientierung verlieren kann. Führt man sich diese Ausmaße vor Augen, wird schnell klar, dass es sich hier nicht allein um gleichgesinnte und Personen mit demselben Wissensstand handeln kann. Man kann im Anbetracht dieser Vielzahl wohl eher davon ausgehen, dass diese einen Querschnitt der Gesamtgesellschaft bilden, die sich durch eine Vielfalt von demografischen Eigenschaften, Einstellungen, Interessen und Positionen auszeichnet.

 

Als weitere Konsequenz folgt, dass auch und insbesondere Universitäten nicht von sexualisierter Belästigung, Gewalt, Benachteiligung und unterschiedlichen Formen der Diskriminierung befreit sind. Dieses „insbesondere“ ist einerseits dem Selbstverständnis von Universitäten als Orte des Wissens und der Aufklärung geschuldet. Sie sehen sich in dieser Rolle losgelöst von sozialen Problemstellungen wie etwa sexualisierter Gewalt und rücken diese damit aus dem öffentlichen Blickfeld. Andererseits und damit zusammenhängend besteht häufig sowohl bei den Betroffenen als auch bei den Ausübenden von sexualisierter Belästigung, Gewalt und Diskriminierung ein geringes Bewusstsein für derartige Phänomene – sie sind sich zum einen nicht der Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse, die an Universitäten sehr stark ausgeprägt sind, bewusst, oder erkennen die eigenen und die Grenzen anderer nicht (rechtzeitig), sodass es zu deren Überschreitung kommt. Ebenso spielen strukturelle Ungleichheiten eine wesentliche Rolle, die sich bspw. an den Kategorien Geschlecht, Klasse, Herkunft, Sexualität wie auch Geschlechtsidentität ablesen lassen. Sie führen dazu, dass gerade Frauen sexualisierte Gewalt, Belästigung und Benachteiligung erleben. Die (potentielle) Betroffenheit kann sich in Kombination mit den weiteren Ungleichheitsfaktoren außerdem verstärken, sodass z.B. Women of Color oder nicht-binäre Personen einer besonderen Gefahr ausgesetzt sind.

Ohne Zweifel ergibt sich daraus eine umfassende Verantwortung der Universitäten gegenüber ihren Studierenden und Mitarbeiter*innen wie auch ein dringender Handlungsbedarf zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt, Belästigung und Diskriminierung. Doch ist es mit dieser Erkenntnis nicht getan. Wichtiger noch sind die Schritte, die zu diesem Ziel hinführen können und dieses nicht zu einem leeren Lippenbekenntnis verkommen lassen. Neben schon bestehenden Ansätzen und Maßnahmen sollen an dieser Stelle weitere Vorschläge für Präventions- und Awareness-Strategien vorgestellt werden. Aufgrund der studentischen Perspektive, aus der heraus dieser Artikel geschrieben wird, ergeben sich daraus bestenfalls neue Impulse und Implikationen für die Prävention und den Umgang mit sexualisierter Gewalt, Belästigung und Diskriminierung an Hochschulen:

Viele Strategien, die sexualisierter Gewalt und Belästigung vorbeugen sollen, richten sich vor allem an die (potentiell) Betroffenen. Sie bekommen in diesem Zuge Techniken und Verhaltensweisen handgereicht, die ihrem Selbstschutz dienen sollen. Führt man sich vor Augen, dass eine Bewältigung von sexualisierter Gewalt und Belästigung nur durch einen kulturellen Wandel – die Überwindung von Diskriminierungsformen wie u.a. Sexismus und Misogynie – bewirkt werden kann, bedarf es aber eines ganzheitlichen Problemlösungsansatzes, der alle Mitglieder der Universität miteinschließt. Dabei müssen auch und gerade die (potentiell) Ausübenden von sexualisierter Gewalt, Belästigung und Diskriminierung explizit adressiert werden – Studenten, Mitarbeiter und Professoren der Universität. Wichtig dabei ist es, allen gleichermaßen mit den dafür zu Verfügung stehenden Mitteln ein Bewusstsein für unterschiedliche Formen der Ungleichbehandlung und darauf fußender sexualisierter Belästigung und Gewalt zu erwecken. Dem ist außerdem im gegenseitigen Umgang eine allgemeingültige Handlungsorientierung des Konsenses hinzuzufügen, die dazu aufruft, die persönlichen Grenzen des Gegenübers zu erfragen und ebenso zu respektieren. Beide Aspekte müssen über verschiedene Wege und Kanäle vermittelt und nachhaltig gefestigt werden.

 

Awareness schaffen 

Denkbar wäre eine verpflichtende Veranstaltungsreihe für Studienanfänger*innen (Bachelor und Master) aller Studiendisziplinen, die von unterschiedlichen Akteur*innen aus dem Hochschulkontext (Mitarbeiterin von ‚Unser Campus‘, zentrale Gleichstellungsbeauftragte, Lehrende der Gender Studies, Ansprechpartner*in für trans* und inter* Personen, Lehrende aus der Kriminologie etc.) ebenso wie aus externen Anlaufstellen (Betroffenenberatungsstellen wie auch lokale Organisationen, die sich bemühen, männlich gelesene Eigenschaften, die zu sexistischer Diskriminierung führen können, abzubauen) geführt wird. Um einen disziplinübergreifenden Erfahrungsaustausch zu gewährleisten und die Entstehung von unterschiedlichen Umgangs- und Akzeptanzweisen von sexualisierter Gewalt, Belästigung und Diskriminierung zu vermeiden, sollten diese Veranstaltungen zentral stattfinden. Koordinierungsherausforderungen könnten durch eine Kombination von On- und Offline-Formaten gelöst werden, mit dem Ziel allen Studierenden ein möglichst alltagspraktisches Bewusstsein für sexualisierte Gewalt, Belästigung und Diskriminierung wie auch für einen konsensorientierter Umgang zu vermitteln.

Diese Zielsetzung setzt außerdem einen öffentlichkeitsnahen, über die Universität hinausweisender Austausch voraus. Über diesen werden u.a. Studieninteressierten die Prinzipien der Universität in der Überwindung von Diskriminierungen, sexualisierter Gewalt und Belästigung vermittelt. Für eine geschlossene Repräsentation der Universität als entschlossene Kämpferin gegen jedwede Diskriminierung und sexualisierte Gewalt oder Belästigung bedarf es eines Veranstaltungskonzepts, dass die Vielstimmigkeit des Hochschulbetriebes widerspiegelt und Vertreter*innen einzelner Bereiche zu Wort kommen lässt. So könnte etwa eine Podiumsdiskussion mit Beschäftigten aus der Kampagne ‚Unser Campus‘, dem Asta, der psychologischen Studienberatung, der OASE, des Hochschulsports, des zentralen Gleichstellungsbüros, aber auch dezentrale Gleichstellungsbeauftragte einzelner Disziplinen aus ihrem Berufsalltag im Zusammenhang mit dem Thema sexualisierte Gewalt, Belästigung und Diskriminierung berichten. Darauffolgend könnten sie geeignete Lösungsstrategien im Sinne einer ‚Hochschule für Alle‘ aus ihren jeweiligen Blickwinkeln aufzeigen.

 

Ein breites Workshopangebot

Eine weitere Strategie, die auf unkomplizierte, aber ebenso effektive Weise für eine konsensorientierte Begegnung zwischen Studierenden plädiert und auf Formen sexualisierter Gewalt, Belästigung und Diskriminierung hinweist, ist die universitätsweite Aushändigung von Infomaterial an Studienanfänger*innen, Besucher*innen von Hochschulparties und Bewohner*innen von AKAFÖ-Studierendenwohnheimen. Dies kann in sogenannte Goodie-Bags zusammen mit anderen Materialien und Geschenken integriert werden, sodass die Gefahr einer vorschnellen Entsorgung minimiert wird. Neben Handreichungen, die auf das Problem der sexualisierten Gewalt, Belästigung und Diskriminierung im allgemeinen hinweisen, sollten darin auch Broschüren enthalten sein, die Studenten vermitteln, wie sie zu verantwortungsvollen Allies werden und vor allem Studentinnen und LSBTQI-Studierende Anlaufstellen für Betroffene von sexualisierter Gewalt und Belästigung aufzeigen.

Neben vereinzelten angeleiteten Workshop-Angeboten zur Stärkung des Selbstvertrauens von Studentinnen wäre die Einrichtung eines langfristig angelegten (digitalen) Austauschraums wünschenswert. In diesen erhalten Studentinnen und LSBTQI-Studierende die Möglichkeit, in geschützter Atmosphäre über eigene Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt, Belästigung und Diskriminierung zu sprechen und so einen gemeinsamen Erfahrungshorizont zu bilden. Parallel dazu könnte die Etablierung eines regelmäßigen Treffens zwischen Studenten hilfreich sein, in dem, in Anwesenheit eines*r geschulten Expert*in, über männlichen Privilegien, aber auch sie selbst und andere schädigende Männlichkeitsnormen und -vorstellungen diskutiert werden kann.

 

Universitärer Wandel? Nicht ohne Studierendenperspektive!

All diese Vorschläge setzen eine engmaschige Vernetzung aller universitären Instanzen, die sich der Überwindung von sexualisierter Gewalt, Belästigung und Diskriminierung an Hochschulen widmen, voraus – wichtig ist, die studentische Perspektive immer zum Ausgangspunkt aller Aktivitäten zu machen und somit, neben der Einbeziehung des Astas und studentischer Gleichstellungsbeauftragter, immer wieder Umfragen und Feedbackrunden zu veranlassen. Denn: Eine Universität ohne die genannten Formen der Unterdrückung und Ungleichheiten setzt die Einbeziehung der Perspektiven all ihrer Mitgliedergruppen voraus.

RUB Teachers Day 2020: Unser Schulhof

Vergangenen Samstag (31.10.20) war es soweit: der RUB Teachers‘ Day wurde nachgeholt! Laura Chlebos, Projektkoordinatorin von Unser Campus, war auch mit einer Online-Veranstaltung zu den Themen sexualisierte Gewalt und Awareness in Schulen dabei.

Ein Resümee.

Sexualisierte Gewalt ist kaum ein Thema in der Lehrer*innenausbildung oder später in der beruflichen Praxis – zu diesem Ergebnis kamen Prof. Dr. Sandra Glammeier und Ihre Kolleg*innen im BMBF-Forschungsprojekt „Sexualisierte Übergriffe und Schule – Prävention und Intervention“ im Jahr 2015. Und auch der am vergangenen Samstag durchgeführte Workshop Unser Schulhof  im Rahmen des Rub Teachers‘ Day 2020 machte deutlich: Hier besteht weiterhin Nachholbedarf!

Eine Umfrage unter den Teilnehmer*innen der Veranstaltung ergab, dass nur 5% das Thema bereits im Studium begegnet ist und 11% schon mal eine Fortbildung in diesem Bereich besucht haben.

Obwohl der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) die Schule als Aktionsfeld Nr.1 der Prävention ausmacht und davon ausgeht, dass 1-2 Kinder pro Klasse sexualisierte Gewalt erlebten oder erleben, haben die wenigsten Schulen Schutzkonzepte zur Prävention und für den Ernstfall entwickelt.

Gesellschaftliche Mythen rund um die Themen Sexualität und sexualisierte Gewalt (Victim Blaming, Zweifel an der Realität sexualisierter Gewalt) gepaart mit fehlenden Fortbildungen und Handlungsorientierungen schüren Unsicherheit und begünstigen Übergriffe. Aus der Praxis wird jedoch deutlich, dass Kinder und Jugendliche aufgrund des hohen Schampotenzials bei sexualisierter Gewalt äußerst selten lügen, sagt Ursula Schele vom PETZE-Institut.

Deutlich wird, Prävention und Schutz muss auf zwei Ebenen ansetzen: bei den Lehrkräften selbst und auf der Ebene der Institution Schule.

 

Daraus ergaben sich folgende Ziele für den Workshop:

  • „handlungshemmende Zweifel“ (Glammeier 2019) ansprechen,
  • den Unterschied zwischen Grenzüberschreitungen, Übergriffen und strafrechtlich relevanten Form der Gewalt erkennen,
  • Awareness und Sensibilität für Grauzonen und das subjektive Empfinden der Betroffenen schaffen,
  • Handlungsmöglichkeiten zur Erarbeitung eines Schutzkonzepts für die eigene Schule mit an die Hand geben.

 

Zum Weiterlesen:

Sexualisierte Gewalt

Bauer, U. et al. (2019): Prävention von sexualisierter Gewalt in der Schule. Erste Erfahrungen mit einem niedrigschwelligen Ansatz für Lehrkräfte und Kinder im Grundschulalter. In: Wazlawik, M. et al. (Hrsg.): Sexuelle Gewalt gegen Kinder in pädagogischen Kontexten. Aktuelle Forschungen und Reflexionen, S. 181-193. Wiesbaden: Springer.

Bezirksregierung Arnsberg: „Sexualisierte Gewalt in der Schule Leitfaden zum Umgang mit Verdachtsfällen sexueller Grenzverletzungen, Übergriffe und Straftaten durch Lehrkräfte und weitere Beschäftigte in der Schule“ (online)

Enders, U. et al. (2010): Zur Differenzierung zwischen Grenzverletzungen, Übergriffen und strafrechtlich relevanten Formen der Gewalt im pädagogischen Alltag (online)

GEW NRW (2019): Vor sexueller Gewalt in Schule schützen (online)

GEW NRW (2019): Täter*innen verstecken sich oft anonym im Netz! Mädchen und frauen online und offline schützen. In: GEW NRW (Hg.): lautstark. Dein Mitgliedermagazin, S. 46-48. Essen.

Glammeier, Sandra (2019): Sexuelle Gewalt und Schule. In: Wazlawik, M. et al. (Hrsg.): Sexuelle Gewalt gegen Kinder in pädagogischen Kontexten. Aktuelle Forschungen und Reflexionen, S. 197-209. Wiesbaden: Springer.

Tiefenthal, Anja (2018): Sexuelle Gewalt und Schule: Was Lehrkräfte wissen müssen (online)

Tiefenthal, Anja (2018): Ein bis zwei Kinder pro Klasse sind Missbrauchsopfer (online)

 

Digitale Gewalt

Jugendschutz.net (2019): Sexualisierte Gewalt online. Kinder und Jugendliche besser vor Übergriffen und Misbrauch schützen (online)

Amadeu Antonio Stiftung: Was ist Hate Speech? (online)

Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt (2017): Digitale Gewalt, Frankfurt am Main.

Landesmedienzentrum Baden-Würtemberg: Was ist Sexting? (online)

Österreichisches Institut für angewandte Telekommunikation (Hg.) (2015): Medien und Gewalt. Herausforderungen für die Schule, 4. Aufl. Wien.

 

Kampagnen und Initiativen

Schule gegen sexuelle Gewalt

Kliksafe

Kein Täter werden

Toxic Masculinity: Literatur zum Vortrag

 

Wissenschaftliche Artikel und Studien

 

American Psychological Association (2018): APA Guidelines for Psychological Practice with Boys and Men, Washington.

Ging, Debbie (2017): Alphas, Betas, and Incels: Theorizing the Masculinities of the Manosphere.

Kaufman, Michael (2001): Die Konstruktion von Männlichkeit und die Triade männlicher Gewalt. In: Bausteinemänner (Hg.): Kritische Männerforschung. Neue Ansätze in der Geschlechterforschung, Argument Sonderband 26, Hamburg, S. 138-171.

Kemper, Andreas (2020): Crash statt Care: Virtuelle und apokalyptische Männlichkeit (1)

Kupers, Terry A. (2005): Toxic Masculinity as a Barrier to Mental Health Treatment in Prison. In: Journal of Clinical Psychology, Vol. 61 (6), pp. 713-724.

Robert-Koch-Institut (2014): Gesundheitliche Lage der Männer in Deutschland, Berlin.

Thacker, Lily Katherine (2019): The Danger of ‚no‘: Rejection Violence, Toxic Masculinity and Violence against Women. Online Thesis and Dissertation.  

 

Zeitungsartikel

 

Marinić, Jagoda (2019): Männer, warum stemmt ihr euch gegen ein modernes Rollenbild? (Süddeutsche Zeitung)

Müller, Frederik (2018): Hä, was heißt Toxic Masculinity? (Missy Magazine)

Salam, Maya (2019): What is Toxic Masculinity (New York Times)

Schaefer, Anke (2020): Soziologin Sabine Hark zu toxischer Männlichkeit: „Es geht nicht darum, jeden einzelnen Mann zu verurteilen“ (Deutschlandfunk Kultur)

How to be an Ally

Wie Du ein Verbündeter im Kampf gegen sexualisierte Gewalt und Diskriminierung wirst

 

Text: Lena Spickermann

Dieser Artikel richtet sich in erster Linie an Männer, die an Universitäten arbeiten oder studieren. Jedoch können die Informationen auch für Studierende und Mitarbeiter*innen anderen Geschlechts von Interesse sein.

Sexualisierte Belästigung und Gewalt wie auch Benachteiligung aufgrund des Geschlechts sind keine Einzelphänomene, vor denen wir mit Eintritt in ein Studium oder eine wissenschaftliche Laufbahn bewahrt bleiben. Auch an Universitäten werden vor allem Frauen und LSBTTIQ-Personen (diese Abkürzung steht für Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transsexuell, Transident, Intersexuell, Queer) regelmäßig mit ihnen konfrontiert. Die Annahme, dass Universitäten als Zufluchtsorte des Wissens und der Bildung, frei von Sexismus und Misogynie seien, führt zu einer Verharmlosung und Verhüllung von Fällen, in denen es zu sexualisierter Gewalt bzw. Belästigung, oder aber geschlechtsspezifischer Benachteiligung gekommen ist. Derartige Mythen lassen die Betroffenen für ihre Erfahrungen selbst verantwortlich erscheinen. So werden sie zur eigentlichen Ursache des Problems erklärt, etwa, wenn sie sich zu auffällig gekleidet bzw. verhalten haben. Oder aber ihnen wird unterstellt, eine vermeintlich harmlose Situation – zum Beispiel den sexistischen Herrenwitz des Professors – aufgrund der eigenen Humorlosigkeit missverstanden zu haben.

Solche Erlebnisse bestärken das Problem der mangelnden Sichtbarkeit von Betroffenen, trauen sich diese oftmals nicht, ihre Erfahrungen publik zu machen, oder erliegen selbst dem Irrglauben, grenzüberschreitende Handlungen falsch- oder gar überinterpretiert zu haben. Die genannten Mythen täuschen über die strukturelle Verbreitung von Phänomenen wie sexualisierte Gewalt oder geschlechtsspezifische Benachteiligung hinweg. Grund dafür ist eine bereits in der Sozialisation verankerte Ungleichbehandlung von Männern und Frauen sowie Menschen, die diesem binären Differenzschema nicht entsprechen: Männer verdienen im Durchschnitt 21 Prozent mehr als Frauen, bekleiden prestigeträchtigere Jobs und höhere berufliche Positionen und übernehmen im Vergleich zu Frauen nur einen geringen Teil der unbezahlten Care-Arbeit. Weiblich typisierte Eigenschaften werden männlichen unterstellt und gelten auch heute noch als ablehnenswert – ein Eingeständnis von Schwäche oder Emotionalität ist in vielen Bereichen der Gesellschaft für Männer tabu. Auch der Universitätsalltag wird von einem komplexen, hierarchischen Netz durchzogen, das Abhängigkeiten schafft und vor allem Studentinnen und Mitarbeiterinnen benachteiligt und zuletzt in gegen sie gerichtete sexualisierte Belästigung und Gewalt münden kann.

Um diese Problematik sichtbar werden zu lassen und dem immerwährenden Stempel des individuellen Einzelphänomens ein für alle Mal abzuschwören, ist es wichtig, dass nicht nur die (potenziell) Betroffenen ihre Stimmen erheben und auf die Diskriminierung und sexistischen Strukturen an Universitäten aufmerksam machen.

Um das Problem der sexualisierten Gewalt und Belästigung wie auch der geschlechtsspezifischen Benachteiligung zu überwinden, ist es vor allem wichtig, dass männliche Studenten und Mitarbeiter bzw. Studierende, die aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft und/oder Sexualität privilegiert sind, zu Verbündeten im Kampf gegen sexistische Strukturen an Universitäten werden.

Da das auf den ersten Blick nicht immer einfach erscheint, möchte Unser Campus im Folgenden 10 Punkte zur Orientierung an die Hand geben:

1. Werde ein guter Zuhörer

Deine Freundin erzählt Dir von einem Kommilitonen, der sie bedrängt und ihre persönlichen Grenzen überschreitet. In solchen und ähnlichen Situationen ist es wichtig, ihre Erfahrungen so stehen zu lassen, ihr zunächst nur zuzuhören, Verständnis zu zeigen und Glauben zu schenken. Dränge Dich ihr nicht gleich mit einem Rat auf und zweifele nicht an der Glaubwürdigkeit des Erzählten. Es ist bereits ein großer Schritt, dass Du ins Vertrauen gezogen wurdest, also versuche auszuloten, was Dein Gegenüber in diesem Moment am dringendsten braucht. Sollte es dann doch der gut gemeinte Rat sein, kannst Du diesen im Nachhinein immer noch äußern.

2. Ja heißt Ja (und Nein heißt Nein)

Gerade Universitäten sind Orte, an denen klar definierte Hierarchien vorherrschen und die Angst vor den möglichen Nachteilen aufgrund eines Sich-zu-Wehr-setzens gegen sexualisierte Gewalt und Belästigung oder gegen geschlechtsspezifische Benachteiligung groß ist. So kann es auch sein, dass Dein Gegenüber Dir nicht immer ihre*seine persönlichen Grenzen aufzeigt. Gerade deswegen ist es wichtig, dass Du nicht erst auf ein aktiv geäußertes Nein wartest, sondern Dich vorab erkundigst, ob es z. B. okay ist, wenn Du Deiner Kommilitonin bei der nächsten Semesterparty einen Drink spendierst oder sie mit nach Hause begleitest. Auch im Unialltag empfiehlt sich ein konsensorientierter Umgang. Beispielsweise kannst Du Dich bei Deiner*m Kommiliton*in versichern, ob ihr*ihm ein privates Treffen bei Dir zu Hause zwecks der Vorbesprechung eines Referates recht ist, oder lieber doch eine Alternative, wie z. B. ein Café, gewählt werden sollte.

3. Übe Dich in Selbstreflexion

Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass niemand frei von Sexismus oder anderen Diskriminierungsformen ist. Oft sind wir uns im Moment des Geschehens nicht bewusst, dass unsere Taten oder Worte die persönlichen Grenzen eines*r Anderen verletzen. Erst im Nachhinein wird dann klar, dass der gerade noch geäußerte Kommentar sexistisch oder die körperliche Geste bedrängend war. Diese Einsicht ist Gold wert, da Du es somit beim nächsten Mal besser weißt und Dein Verhalten dementsprechend ändern kannst. Aber um zu diesem Wissen zu gelangen, ist es erforderlich, dass Du Dich regelmäßig selbstreflektierst und auch festeingespielte Verhaltensweisen überprüfst.

4. Entschuldige Dich

Wenn Du feststellst, dass Du Dich dennoch grenzüberschreitend geäußert und/oder verhalten hast, ist es wichtig, Dich zu entschuldigen. Also springe über Deinen Schatten und signalisiere Deinem Gegenüber, dass Du Dir über Dein Fehlverhalten bewusst und gewillt bist, es nicht nochmal so weit kommen zu lassen.

5. Weggucken ist keine Option

Nicht selten kommt es vor, dass Kommiliton*innen, Lehrende oder Arbeitskolleg*innen die persönlichen Grenzen Anderer missachten. Das kann der Kommilitone sein, der den Wortbeiträgen einer Seminarteilnehmerin mit sexistischen Kommentaren begegnet und sie kategorisch degradiert, aber auch der Professor, der aufgrund seiner Position im universitären Machtgefüge nicht vor frauenverachtenden Kommentaren zurückschreckt. In diesen und anderen Fällen bist Du gefragt! Es ist keine Option, wegzugucken oder nicht hinzuhören. Gerade weil es den Betroffenen selten möglich ist, sich allein zur Wehr zu setzen ¬– sei es, weil ihren Worten kein Gehör geschenkt wird, sie selbst nicht anwesend sind oder sie Angst vor den Konsequenzen haben – ist es wichtig, dass Du ein solches Verhalten nicht unkommentiert lässt. Dazu reicht manchmal auch schon eine kurze Bemerkung, in der Du verdeutlichst, dass ein solcher Spruch oder eine solche Handlung nicht tolerierbar ist. Wenn Du stillschweigst, sorgst Du dafür, dass sexistische Strukturen weiterhin bestehen bleiben.

6. Informiere dich

Für viele Betroffene von Sexismus, sexualisierter Gewalt und sexualisierter Belästigung kann es entmutigend und verletzend sein, immer wieder von neuem auf das strukturelle Problem der sexualisierten Gewalt sowie der geschlechtsspezifischen Benachteiligung an Universitäten und andernorts aufmerksam machen und ausführen zu müssen, was dies beinhaltet. Werde selbst aktiv, indem Du im Internet recherchierst, (außer-)universitäre Veranstaltungen besuchst oder Literatur in der Bibliothek ausleihst. Um ein Verbündeter zu werden, ist es nämlich nicht nur wichtig, dass Du Dein eigenes Verhalten immer wieder hinterfragst und gegebenenfalls änderst, sondern auch, dass Du Deine Stimme erhebst und zum Experten wirst. So kannst Du in relevanten Situationen, etwa, wenn Dein*e Professor*in das Problem der sexualisierten Gewalt verharmlost, schnell mit Faktenwissen aufwarten und ein Zeichen setzen.

7. Frage nach

Es ist nicht empfehlenswert, dass Du im Falle von sexualisierter Gewalt und Belästigung oder geschlechtsspezifischer Benachteiligung unmittelbar mit großen Gesten aufwartest, ohne vorher das Einverständnis der*des Betroffenen eingeholt zu haben. Auch wenn Du es z. B. für erforderlich hältst, die sexualisierten Gewalterfahrungen Deiner Freundin öffentlich zu machen oder die für die Belästigung/Gewalttat verantwortliche Person zur Rede zu stellen, ist es wichtig, dass Du ihre persönlichen Bedürfnisse berücksichtigst und nicht Deine eigenen Maßstäbe zum Ausgangspunkt machst.

8. Zeige Präsenz

Es ist schon spät und Du merkst, wie sich jemand in der U-Bahn durch die Gegenwart oder Handlung einer anderen Person sichtlich unwohl fühlt, bist Dir aber nicht sicher, ob ein unmittelbares Eingreifen bereits gerechtfertigt ist. In derartigen Momenten ist es wichtig, dass Du nicht zusätzlich zu ihrem*seinem Unwohlsein beiträgst, sondern vermittelst, dass Du bereit bist, ihr*ihm zur Seite zu stehen. Das kann durch einen kurzen Blickkontakt oder eine Geste geschehen.

9. Hole Dir Unterstützung

Es ist niemanden damit geholfen, wenn Du Deine eigenen Grenzen überschreitest. Solltest Du in Situationen geraten, mit denen Du nicht umzugehen weißt, kannst Du Dir jeder Zeit Rat bei offiziellen Beratungsstellen holen. So kannst Du Dich z. B. an die Zentrale Gleichstellungsbeauftragte oder aber an die Studentische Gleichstellungsbeauftragte Deiner Universität wenden. Sollte Dir zum Beispiel aufgefallen sein, dass ein Professor sexualisiert belästigende Verhaltensweisen aufweist, Du Dich aber nicht traust, Dich aktiv gegen ihn zu positionieren, kannst Du Dich an diese Stellen wenden, ohne dabei direkt die Namen der Betroffenen nennen zu müssen. In Situationen, in denen Du Zeuge einer öffentlichen sexualisierten Gewalthandlung oder Belästigung wirst, aber nicht wagst, aufgrund des Gefahrenpotenzials der Situation, selbst einzuschreiten, solltest Du nicht davor zurückschrecken, Umstehende gezielt anzusprechen oder direkt die Polizei einzuschalten.

10. Sei Dir über das Zusammenspiel unterschiedlicher Diskriminierungsformen bewusst

Nicht immer tritt Sexismus gesondert auf. Sich dies bewusst zu machen, ist wichtig, um zu erkennen, dass die strukturellen Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt und Belästigung sowie mit geschlechtsspezifischer Benachteiligung nicht von allen Menschen gleich erlebt werden, sondern, dass sie mit anderen Diskriminierungsformen wie Rassismus oder Ableismus (Diskriminierung aufgrund von Behinderung) einhergehen können. Dieser Umstand erfordert eine erhöhte Sensibilisierung für die unterschiedlichen Erfahrungen und Bedarfe der Betroffenen von sexualisierter Gewalt und Belästigung.

Psychologische Studienberatung an der RUB – Eine wichtige Anlaufstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt


Krisen, Prüfungsangst, Unsicherheits- und Unzulänglichkeitsgefühle oder aber mangelndes Zeitmanagement sind Probleme, mit denen sich viele Studierende im Laufe ihres Studiums konfrontiert sehen. Diese können auf Dauer zu einer hohen Belastung führen. Die psychologische Studienberatung der RUB ist eine wichtige Anlaufstelle für Studierende, die sich solchen Herausforderungen stellen müssen. Sie hilft ihnen dabei, sich mit solchen Erfahrungen nicht allein, „unnormal“ oder minderwertig zu fühlen und darüber hinaus gemeinsam einen Lösungsweg zu erarbeiten.

Zahlreiche Angebote, die Einzelberatung und Gruppencoachings umfassen, themenspezifisch oder allgemein angelegt sind, bieten eine Möglichkeit, sich passgenaue Hilfe zu suchen. Anders als der Name „Studienberatung“ es vermuten lässt, stehen die Türen jedoch auch für Personen mit Problemen offen, deren Ursachen nicht studienbezogen sind, die aber dennoch eine schwere Belastung für sie darstellen. Dazu können u. a. Depressionen, Ängste, Zwangserkrankungen, allgemeine Unzulänglichkeitsgefühle, Diskriminierung z. B. aufgrund von Sexualität oder Geschlechtsidentität oder aber auch se-xualisierte Gewalt und Belästigung gehören. Studierende, die ihr Anliegen vorzugsweise nur gegenüber einer Psychologin äußern möchten, können dies bei Ihrer Anmeldung (über E-Mail (psychberatung@rub.de) oder im Sekretariat) angeben. In schweren Fällen kann ein Termin auch sehr zeitnah vereinbart werden. Für diejenigen, die nach Gleichgesinnten suchen, bieten die Gruppencoachings einen sicheren Raum für Austausch und Unterstützung. Prüfungsangst im Allgemeinen oder Angst vor mündlichen Prüfungen im Besonderen, Torschlusspanik kurz vor Beendung des Studiums, aber auch Motivationsschwäche und Selbstunsicherheit sind Themen, denen sich hier gestellt wird.

 

© rub.de

 

Sexualisierte Gewalt: Auch auf unserem Campus?

Fragt man Ranja Kaiser, nach ihren Erfahrungen mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt und Belästigung und der Häufigkeit von solchen Fällen in der psychologischen Beratung, könnte man auf die Idee kommen, dass es sich um ein am Campus selten auftretendes Problem handelt. Dabei lässt man aber schnell außer Acht, dass es viele Betroffene gibt, die ihre Erlebnisse nicht mit Dritten teilen – sei es aus Gründen der Scham oder aber aufgrund eines mangelnden Bewusstseins darüber, dass es sich bei dem erlebten Übergriff wirklich um sexualisierte Belästigung oder Gewalt handelt. Gedanken, dass das Widerfahrene doch eigentlich ganz „normal“ ist, „dass Männer ja so sind“, spielen dabei eine große Rolle. Dies ist ein Resultat von verharmlosenden und sexistischen Bildern und Vorstellungen, die auch heute noch präsent sind.

 

Psychologische Beratung steht allen offen

Ranja Kaiser ist es wichtig zu betonen, dass alle Betroffenen von sexualisierter Gewalt und Belästigung, sei sie am Campus oder woanders vorgefallen, jederzeit Unterstützung bei der psychologischen Studienberatung finden können. Durch die hohe Sensibilisierung der Mitarbeiter*innen werden Befürchtungen eines unzureichenden Verständnisses gegenüber der besonderen Lage der Betroffenen ausgeräumt. Egal, ob es die Angst vor dem Heimweg über den Campus, das Bedürfnis nach einer Unterstützung bei der Entscheidung für bzw. gegen eine Anzeige ist oder der Wunsch danach, wieder Boden unter den Füßen zu gewinnen – eine Beratung steht allen offen. Und selbst in schwierigen Fällen sind sie geeignete Ansprechpartner*innen, um weitere Optionen und Schritte zu besprechen und die Betroffenen über andere unterstützende Anlaufstellen, wie z. B. eine Beratungsstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt, zu informieren.

 

Und was bietet die RUB zum Schutz vor sexualisierter Diskriminierung und Gewalt?

Eine wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang aber auch Präventionsmaßnahmen, sagt Ranja Kaiser. Auch hier muss keine lange Suche nach geeigneten Anlaufstellen erfolgen, denn die RUB hält ein breites Angebot bereit. Dazu gehört z. B. der im regelmäßigen Turnus stattfindende Workshop Selbstsicherheit für Studentinnen, bei dem eine Polizeikommissarin der Polizei Bochum Studentinnen (der Workshop richtet sich an alle sich als weiblich definierenden Personen und non-binary) Strategien und Techniken handreicht, die zu mehr Selbstsicherheit führen und sexualisierter Gewalt entgegenwirken sollen. Die Anwesenheit einer Psychologin der psychologischen Studienberatung sorgt bei diesem Workshop für eine ganzheitliche Unterstützung. Dieser Workshop ist vor allem gewaltvorbeugend angelegt, den Teilnehmerinnen ist dennoch die Möglichkeit geboten, bei Bedarf psychologische Unterstützung zu erhalten. Zudem gibt es einen Workshop für Zivilcourage, der von allen Studierenden besucht werden kann. Auch der Hochschulsport bietet in jedem Semester Kurse zur Selbstbehauptung und -verteidigung für Frauen an, die gezielt physische wie auch psychische Gewalt anvisieren und dabei Selbstbehauptungs- und Schutztechniken aufzeigen. Ranja Kaiser sieht in solchen Maßnahmen einen wichtigen Grundpfeiler, das strukturelle Problem der sexualisierten Gewalt an der Wurzel zu packen und noch vor Entstehung zu verhindern. Diese Einsicht hat sie im Wintersemester 2019/2020 auch zu der Entwicklung eines Workshops Gelassen und sicher im Studium bewegt, mit dem sie Studentinnen ermutigen und bestärken will, sich im Studienalltag zu behaupten, ein gesundes Selbstbewusstsein für ihre eigenen Fähigkeiten und ein Gefühl für ihre persönlichen Grenzen zu entwickeln. All diese Maßnahmen begründen wichtige Schritte in Richtung der Abschaffung einer noch immer bestehenden Vergewaltigungskultur (rape culture), die sexualisierte Belästigung wie auch Gewalt verharmlost und Betroffene für die Taten selbst verantwortlich macht. Jedoch bedarf es für dieses Ziel weiterer Schritte, die nicht allein Frauen – also die am häufigsten betroffene Gruppe – adressiert, sondern, die sich gezielt an die (potentiell) Ausübenden sexualisierter Gewalt richtet.

 

Psychologische Studienberatung
Service Center (SSC) | Etage 1 | Raum 105
0234/32-23865
psychberatung@rub.de

Ab Februar findet die offene Sprechstunde an jedem 1. Mittwoch im Monat von 14 bis 16 Uhr im SSC 1, 1. Etage links, Raum 125 statt. Diese Sprechstunde ist barrierefrei zugänglich. An jedem anderen Mittwoch findet diese Sprechstunde in der Oase statt. Ab dem Sommer-semester 2020 findet die offene Sprechstunde neben dem 1. Mittwoch im Monat an allen anderen Freitagen von 10 – 12 Uhr in der Oase statt.

 

Artikel: Lena Spickermann
Der Artikel basiert auf einem Interview, das Laura Chlebos mit Ranja Kaiser, Teamleiterin der psychologischen Studienberatung, geführt hat.

Mythos Minirock – warum du als betroffene Person keine Verantwortung trägst

In ihrer aktuellen Ausstellung „A History of Misogyny, Chapter Two: On Rape“ (Eine Geschichte der Misogynie, Kapitel Zwei: Zu Vergewaltigung) stellt die spanische Künstlerin Laia Abril in Paris Fotografien von Kleidungsstücken aus, die Menschen getragen haben, während sie vergewaltigt wurden: die Zuschauer*innen sehen eine Militäruniform, ein Nonnengewand oder auch die Schuluniform eines 5-jährigen Mädchens.

Die Ausstellung kann als Einspruch gegen einen sich immer noch hartnäckig haltenden Mythos verstanden werden, der besagt, knappe und „sexy“ Kleidung provoziere sexualisierte Belästigung und Vergewaltigung. Durch die Suche nach Verantwortlichkeit oder einer Mitschuld bei den Betroffenen findet eine „Täter-Opfer-Umkehr“ statt (Victim Blaming). Betroffene von sexualisierten Gewalttaten sollen Rechenschaft darüber ablegen, warum sie einen Minirock getragen, einen bestimmten Heimweg benutzt oder sich nicht laut genug gewehrt haben.

Warum beschuldigen wir die Betroffenen?

Es drängt sich die Frage auf, warum bei Vergewaltigung im Gegensatz zu anderen Straftaten nach einer Mitschuld der Betroffenen gesucht wird. In ihrem Vortrag auf dem „Infotag gegen sexuelle Belästigung“ (05.02.2020) des FSK Geschichte der RUB sprach die Geschichtsprofessorin Dr. Maren Lorenz über die Verhandlung des Deliktes der sexuellen Belästigung und Vergewaltigung im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Für Frauen gab es entweder die Rolle der „Heiligen“ oder die der „Hure“, sagt Lorenz. Um den Status der „Heiligen“ zu bewahren und das „eigene Kapital [Körper und die damit verbundene Ehre] nicht zu beschädigen“, mussten Frauen sich kontinuierlich gegen „männliche Avancen“ zur Wehr setzen. Das heißt, die Frauen selbst trugen eine Mitverantwortung an der Erhaltung ihres (jungfräulichen) Status und auch ihrer Sicherheit. Auch wenn das Jungfrauendasein und der Ehrbegriff immer mehr an Bedeutung verlieren (ich beziehe mich hierbei auf Deutschland), beeinflussen diese Mythen und die damit verbundenen Normen und Ansprüche in Form von Victim Blaming und Slutshaming das (vergeschlechtliche) Selbstverständnis von Menschen und ihren Umgang mit Sexualität.

Ist Victim Blaming also ein Ergebnis einer mittelalterlichen Geschlechterordnung und damit, mit anderen Worten, nicht mehr zeitgemäß?

 

https://www.instagram.com/p/B76UwMvq9N_/

 

Abrils Ausstellung gibt auf diese Frage keine Antwort. Mit eindrucksvollen als auch beklemmenden Fotos stößt sie jedoch die Dekonstruktion dieses Mythos an. Die Aufrechterhaltung des Narrativs der provozierenden Kleiderwahl geht Hand in Hand mit dem Geschlechterstereotypen der (sexuellen) Unkontrollierbarkeit des männlichen Geschlechts: Männer als „Wilde“, Männer als „Tiere“. Frauen sollen sich verdecken, um Männer nicht zu provozieren, denn Männer, so impliziert diese Logik, lassen sich leicht erregen und haben sich im Anblick dieser vermeintlichen Reize nur schwer im Griff.

Wie wollen wir miteinander leben?

Das Verharren in mittelalterlichen Denkmustern ist unvereinbar mit den Werten des Grundgesetzes und unserer Lebensrealität, die durch Diversität gekennzeichnet ist. Die beschriebenen Mythen und die damit verbundenen Vorurteile bieten keine Basis für ein respektvolles Miteinander, sondern schaden stattdessen allen Geschlechtern. Insbesondere bei einer Vergewaltigung, also einem schweren Eingriff in körperliche Integrität eines Menschen, ist es perfide, bei Betroffenen zum Beispiel aufgrund ihrer Kleidung eine Mitschuld zu suchen und schürt das Risiko einer Retraumatisierung.

Was können wir also tun, um eine „Täter-Opfer-Umkehr“ (Victim Blaming) zu verhindern?

  • Den Betroffenen glauben und ihre Erfahrung nicht in Frage stellen (statt zu sagen „Vielleicht hat er*sie es nicht so gemeint.“).
  • Denn: Die Verantwortung für den Übergriff liegt nie bei den Betroffenen, das heißt, sie müssen sich nicht dafür rechtfertigen.
  • Im Rahmen der eigenen Ressourcen Hilfe anbieten (bei akuten Fällen ins Krankenhaus (Anonyme Spurensicherung) oder zur Polizei begleiten, Beratungsstellen raussuchen oder emotionale Unterstützung leisten).
  • Wenn du mit der Situation überfordert bist, kannst du dich auch selbst an Beratungsstellen wenden und dir dort Hilfe suchen.
  • Menschen, die Victim Blaming betreiben, darauf hinweisen, um diese Vorwürfe nicht unwidersprochen stehen zu lassen und so diskriminierendem Verhalten keinen Raum zu geben.

 

Ist Männlichkeit giftig? Laura Chlebos im Interview mit WDR Cosmo

Ist Männlichkeit giftig? Mit dieser Frage wendete sich WDR Cosmo im vergangenen Dezember an die wissenschaftliche Mitarbeiterin und Koordinatorin von Unser Campus, Laura Chlebos. In einem Themenspecial gingen die Redakteur*innen den Fragen nach, für welche Eigenschaften und Werte Männlichkeit in unserer heutigen Gesellschaft steht und was genau sich hinter dem in den Medien viel genutzten Begriff Toxic Masculinity (Toxische Männlichkeit) verbirgt.

Was hat Männlichkeit mit einer Kampagne gegen sexualisierte Gewalt und Diskriminierung zu tun?

Eine elementare Säule der Kampagne ist die Reflektion über Männlichkeit(en) und die Rolle von Männern in der Beseitigung von sexualisierter Gewalt. Unter Männlichkeits- und Geschlechterforscher*innen besteht Konsens darüber, dass trotz der Existenz unterschiedlicher Männlichkeiten in unserer Gesellschaft nach wie vor traditionelle Muster von Männlichkeit im Denken und Handeln verbreitet sind. Mit traditioneller Männlichkeit werden Werte wie Stärke, Rationalität, Tapferkeit verbunden und weiblich konnotierte Eigenschaften wie Emotionalität, Fürsorge und Passivität ausgeschlossen. Im Allgemeinen werden Jungs weniger darin unterstützt, ein breites Spektrum an Bewältigungsstrategien im Umgang mit Zurückweisung, Phasen der Verunsicherung oder Krisen auszubilden. Redensarten wie ‚Boys don’t cry‘ (Jungs weinen nicht) oder ‚Boys will be Boys‘ (Jungs sind nun mal Jungs) stützen destruktive Verhaltensweisen wie emotionale Distanz und Aggressivität und tragen dazu bei, Gewalthandeln als Konfliktbewältigung – unter Jungs und Männer, aber auch gegen Frauen gerichtet – zu normalisieren. Die Kampagne möchte diese Dynamik durchbrechen, indem sie die Pluralität von Männlichkeiten in den Mittelpunkt rückt, alternative Handlungsmöglichkeiten aufzeigt und Männern ihre Mitverantwortung im Abbau von sexualisierter Gewalt und Diskriminierung vor Augen führt.

An dieser Stelle folgt das Transkript des Interviews vom 16.12.2019 zum Thema Toxic Masculinity.

WDR Cosmo: Es gibt noch keine allgemeine wissenschaftliche Definition dazu, was Toxische Männlichkeit ist. Wie würdest du den Begriff denn persönlich definieren?

Laura Chlebos: Toxische Männlichkeit benennt ein traditionelles Männlichkeitsbild, das die Vielfalt von Männlichkeit(en) in unserer Gesellschaft nicht widerspiegelt. Zudem werden die damit verbundenen, als männlich assoziierten Verhaltensweisen adressiert, die destruktiv oder schädigend wirken können, wie zum Beispiel emotionale Distanz, Aggression, Dominanz oder sexuell übergriffiges Verhalten. Diese Gewalthandlungen können sich gegen andere Männer richten, gegen Frauen, Kinder und gegen die LGBTI*-Community, aber auch gegen sich selbst. Aber ich denke, es ist wichtig zu betonen, dass Männlichkeit an sich nicht toxisch ist, sondern, dass einige, wie die eben benannten Verhaltensweisen, toxisch sind, was wiederum bedeutet, dass Männer immer die Handlungsoption haben.

Was macht Männlichkeit denn vergiftet?

Meiner Meinung nach ist die geschlechterspezifische Sozialisation, die Jungen und Männern keine breite emotionale Entfaltungsmöglichkeit bietet, ein großes Problem. Wir wissen, Härte, Stärke, Erfolg stehen für Männlichkeit, und gewalttätiges oder aggressives Verhalten wird mit Sprüchen wie Boys will be boys abgetan, also, man sagt, das machen Jungen nun mal so, sie sind eben wilder. Abweichungen von dieser Norm werden lächerlich gemacht oder abgestraft, und die Folge ist dann nun mal, dass Männer kein breites Repertoire an Strategien haben, um mit Konflikten umzugehen. Männer weinen nicht, Boys don’t cry, Männer sind wütend und diese Wut kann sich in Gewalt äußern. Außerdem nehmen Männer mit einem traditionellen Männlichkeitsbild weniger professionelle Hilfe in Anspruch, das heißt, dieses Verhalten ist auch eine Gefahr für Männer selber, da es zum Beispiel dazu führen kann, dass sie seltener zum Arzt gehen. Männer sterben dreimal häufiger durch Suizid und in der Regel auch fünf Jahre früher als Frauen.

Wo und in welchem gesellschaftlichen Kontext begegnet uns denn Toxische Männlichkeit?

Mit dem Begriff wird sich aktuell überwiegend in einem aktivistisch-feministischen Kontext auseinandergesetzt, der schwappt auch nach und nach in die Feuilletons. Im wissenschaftlichen Kontext wird der Begriff eher im anglo-amerikanischen Bereich benutzt, und wenn wir dann von diesem Begriff hören, dann oft im Kontext mit sexualisierter Gewalt oder Femizid, also Frauenmord, um eben die genannten schädigenden, gefährlichen Verhaltensweisen anzuprangern und deutlich zu machen, dass es keine Einzelfälle sind. Aber es gibt auch durchaus Männer, die ihn selber benutzen, um deutlich zu machen, hey, mir geht’s damit auch nicht gut, ich möchte, dass sich daran etwas ändert.

Der Begriff hat seit einiger Zeit Konjunktur und ist zu einer Art Kampfbegriff geworden – wie erklärst du dir das?

In erster Instanz schafft dieser Begriff erfolgreich eine Öffentlichkeit für die Thematik und stößt nach und nach Diskussionen an. Frauen und auch immer mehr Männer kritisieren traditionelle Geschlechterbilder und insbesondere das Männlichkeitsbild. Es gibt den Wunsch nach vielfältigen Männerbildern, um unserer komplexen Lebensrealität gerecht zu werden, und dieser Begriff wird jetzt nach #metoo zwar breit diskutiert, aber im feministischen Kontext war das eigentlich immer schon ein Thema.
Die Frage danach, wie sinnhaft die Nutzung des Begriffs ist, ist relevant, da er insbesondere unter Männern auf Ablehnung stößt, die ihn als diskriminierend und aggressiv empfinden und sie nun mal wichtige Adressaten darstellen. Meiner Meinung nach kann man ihn u. a. auch dafür kritisieren, dass aufgrund seiner Etymologie Verhaltensweisen als naturgegeben verstanden werden können. Es ist wichtig zu betonen, dass es hier um Entscheidungs- und Handlungsoptionen von Männern geht, das heißt, der Mann hat die Möglichkeit, sich z. B. gegen gewalttätiges Handeln zu entscheiden. Inwieweit der Begriff an sich schon zur gesellschaftlichen Transformation beitragen kann, wird sich zeigen, aber die dadurch entfachten Diskussionen haben definitiv das Potential, Kulturwandel anzustoßen.

„Unser Campus“ – eine Kampagne gegen sexualisierte Diskriminierung und Gewalt. Interview mit Laura Chlebos

Auf dem Gender-Blog des Netzwerks Frauen- und Geschlechterforschung ist jüngst ein spannendes Interview erschienen, in dem Laura Chlebos über die Zielsetzungen, Projekte und Grundsätze der Kampagne „Unser Campus“ der Ruhr-Universität Bochum und des AKAFÖ erzählt.

„Eine Universität trägt Verantwortung und sie sollte es sich auf die Fahne schreiben, gegen jede Form von Gewalt und Diskriminierung vorzugehen. Ich bin sehr froh, dass die RUB so engagiert ist und damit eine Vorreiterinnenrolle einnimmt.“

Aber lest selbst!

LSBTIQ*Queer an der RUB: Ein Interview mit Michael

© Prawny

Im letzten Semester wurde die Initiative „LSBTIQ*Queer an der RUB“ ins Leben gerufen. Michael, der als Dozent an der Uni tätig ist und sich selbst als queer definiert, hat uns erzählt, warum er die Gruppe gegründet hat und was sie ausmacht.

 

Warum hast du die Gruppe „LSBTIQ* Queer an der RUB“ gegründet?

Es war schon ein persönliches Anliegen, da ich mich selbst als queerer Mensch gefragt habe, wie ich mich für die Community mit einem ständigen Angebot engagieren und wie ich meine Fragestellung einbringen kann. Beispielsweise wollte ich erfahren, wie es um die Verbindung DozentIn-Studierende bestellt ist, wenn man die Geschlechtsidentität im Auge behält? Ich erlebte es in meinem Studium und auch in der Lehre an der RUB als eher tabuisiertes Thema. Deshalb ist unsere Gruppe für alle RUB-Angehörigen offen.

Was bedeutet für dich „queer“?

Queer heißt für mich in diesem Zusammenhang, anders als „hetero“ zu sein und es ist im Prinzip nicht so wichtig, welche Orientierung man hat. Wichtig sind natürlich der Mensch und seine Persönlichkeit.

Was ist das Ziel der Treffen?

Wir gehen auf Bedürfnisse und Wünsche der Gruppenmitglieder ein, es gibt Themen, die wir alle gemeinsam haben, es gibt sehr spezielle und persönliche Themen. Wir treffen uns einmal in der Woche (Mi, ab 18 Uhr) in der OASE und besprechen und bearbeiten unsere Themen mit unterschiedlichen interaktiven Methoden. Auch weitere informelle Treffen sind in Planung.

Ist es eine geschlossene Gruppe oder kann man spontan dazukommen?

Da wir oft sehr persönliche Themen haben und diese recht offen besprechen, wird die Gruppe nach einigen Sitzungen geschlossen. Allerdings gibt es immer Ausnahmen. In jedem einzelnen Fall entscheidet die Gruppe, ob die Aufnahme noch später erfolgen kann oder ob es doch Sinn machen würde, im neuen Semester dazuzustoßen. Gerne könnten alle Interessierten Kontakt zu uns unter queere-gruppe@rub.de aufnehmen.

LSBTIQ*Queer an der RUB

Wer kann mitmachen?

Alle RUB-Angehörigen, sprich Studierende, Mitarbeitende und Lehrkräfte.

Wie kann man mitmachen?

Wichtig ist, an unserem Termin regelmäßig dabeizusein und eigene Fragen offen anzugehen, Mut zu haben und kreative Ideen mitzubringen.

Wie schätzt du die Situation für die LSBTIQ*-Community an der RUB ein?

Ich empfinde die Atmosphäre für die LSBTIQ*-Community auf dem Campus als offen, aber die Präsenz der queeren Menschen sollte ausgeprägter sein. Sich ohne Diskriminierung auf dem Campus bewegen zu können, ist schon ein sehr wichtiger Schritt, allerdings sollten auch weitere Angebote geschaffen werden. Auch in der Lehre könnten betroffene DozentenInnen und Studierende offener die Fragen der eigenen Geschlechtsidentität ansprechen. In einer der Gruppenaktivitäten wurde außerdem der Vorschlag gemacht, einen „queeren Raum“ auf dem Campus zu etablieren, wo eine offene Möglichkeit für Begegnungen, Informationsaustausch, Spielabende, zusammen Filme schauen oder einfach Kaffee trinken und lesen entsteht.

Internationaler Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen: Gewaltfrei studieren!

Die Zeit des Studiums ist für die meisten eine besondere und intensive. Ein Lebensabschnitt, der für Selbstständigkeit und Wissensdurst steht. Der Campus bietet spannende Eindrücke, verlangt aber auch, sich neuen Herausforderungen zu stellen. Neben studienspezifischen Anforderungen und Nebenjobs sehen sich vor allem Frauen einer weiteren Belastung ausgesetzt.

Denn Studentinnen sind aufgrund ihres Geschlechts und Alters besonders gefährdet, Gewalt zu erfahren. Die Universität ist dabei aber nur ein Ort, an dem Gewalterfahrungen gemacht werden können. Gewalt hat viele Gesichter. Die Mehrheit der gewaltvollen Übergriffe finden „zu Hause“ statt, also durch den (Ex-)Partner, Freunde oder Familienmitglieder. Die Folgen für die Betroffenen kann verheerend sein: Selbstzweifel, Verunsicherung, Minderwertigkeitsgefühle, Vertrauensverlust oder Motivationsverlust das Studium weiter zu betreiben bis hin zu psychosomatischen Problemen.

Deswegen möchten wir heute, am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt an Frauen, auch den Blick auf Studentinnen und ihre besondere Situation richten. Nachdem das Thema auch an Hochschulen lange tabuisiert war, möchten wir mit „Unser Campus“ einen Beitrag zu einer offene(ren) Auseinandersetzung mit sexualisierter Diskriminierung und Gewalt leisten. Eine offene Kommunikation und gezielte Informations- und Beratungswege können helfen, Gewalt abzubauen und Studentinnen auf ihrem Weg zu stärken.

Zu den Hintergründen:

Am 25.11.1960 wurden die Schwestern Patria, Minerva und Maria Teresa Mirabal auf dem Nachhauseweg überfallen und erdrosselt. Die „Schmetterlinge“ waren Teil der „Bewegung 14. Juni“, einer Widerstandsbewegung gegen das brutale Regime in der Dominikanischen Republik, die den Sturz des Diktators Rafael Trujillo plante. Die drei Frauen wurden zum Symbol der dominikanischen Widerstandsbewegung.

Im Gedenken an die Schwestern Mirabal und angesichts der massiven Gewalterfahrungen, die Frauen weltweit erleben, erklärten die Vereinten Nationen im Jahr 1999 den 25.11. zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Acht Jahre zuvor wurde er bereits von lateinamerikanischen und karibischen Feministinnen zum Gedenktag für weibliche Opfer von Gewalt ausgerufen. Jedes Jahr finden seitdem am 25.11. Aktionen und Demonstrationen statt, um auf die anhaltende Gewalt gegen Mädchen und Frauen aufmerksam zu machen. Auch in diesem Jahr ist Bochum wieder Teil der Kampagne #OrangeTheWorld der UN, bei der u.a. das Historische Rathaus und die Pauluskirche in der Kampagnenfarbe Orange angestrahlt werden.

 

*Kostenfreies Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“: 08000 116 016*

Wenn ihr von Gewalt betroffen seid, findet ihr hier eine Reihe von Ansprechpartner*innen und Beratungsstellen auf dem Campus, in Bochum oder überregional.

Was Sexismus bedeutet: Unterwegs mit Anna Schiff

Anna Schiff ist Doktorandin der Ruhr-Universität Bochum und Expertin, wenn es um das Thema Sexismus geht. Vergangenen Donnerstag haben Laura (Unser Campus) und Katharina (Hochschulkommunikation) sich mit ihr auf dem Campus getroffen, um sich über Alltagssexismus auszutauschen 🎙 Gemeinsam haben wir verschiedene Orte und Menschen besucht, die im Fall von Diskriminierung und Belästigung beraten und unterstützen können.

https://www.instagram.com/p/B4hmIlKqfDC/

Die ganze Story könnt ihr auf dem Instagramkanal der RUB (👉Highlight „Unser Campus“) sehen 📱 Hier findet ihr außerdem noch ein Interview mit Anna.

Heute beginnt außerdem die Anti-Sexismus Woche des AStAs. Morgen wird Laura von 10-14 Uhr mit einem Stand im Mensafoyer vertreten sein, um über die Kampagne zu informieren. Kommt gerne vorbei und stellt eure Fragen!

Quelle: AStA RUB

Am 18.11. um 18 Uhr wird ein Workshop zum Thema Sexismus stattfinden. Infos zum Raum folgen zeitnah.