Wir brauchen neue Vorbilder: Ein Gespräch mit Prof. Dr. Karim Fereidooni über Rassismus an deutschen Hochschulen

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Karim Fereidooni ist Juniorprofessur an der RUB und forscht an der Fakultät für Sozialwissenschaft im Bereich der Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung mit dem Schwerpunkt Rassismuskritik. In seinen Seminaren sitzen also zukünftige Lehrer*innen, die später beispielsweise Politik unterrichten wollen.

Für unseren Moodle-Kurs hat er uns einige Fragen zum Thema Rassismuskritische Hochschule beantwortet, denn Unser Campus setzt sich neben einer antisexistischen Perspektive auch für einen antirassistischen Campus ein, an dem verschiedene Lebensrealitäten von Hochschulangehörigen durch intersektionale Diskriminierung geprägt werden.

Im Interview hat uns Prof. Karim Fereidooni erklärt, wie es um rassismuskritische Forschung an der Uni steht, dass zum Beispiel kaum Gelder für Forschungsprojekte bereitgestellt wurden und die Bereitschaft für eine Auseinandersetzung mit Rassismus und Rassismuskritik als Analysekategorie bei den Kolleg*innen eher gering ist. Eine gute Neuigkeit ist aber die Ausschreibung des Bundesministeriums für Forschung und Bildung (BMBF) für eine instutionalisierten Rassismusforschung. Vorangetrieben wurde diese Entwicklung durch die Black Lives Matter-Proteste im vergangenen Jahr.

Fereidooni zeigt im Interview auch blinde Flecken innerhalb der Forschung auf: „Wir brauchen Studien zu Ungleichheitsstrukturen auf unserem Campus und in unserer Gesellschaft, aber wir brauchen auch Menschen, die sich mit der Umsetzung von Maßnahmen auskennen und vor allem brauchen wir […] Menschen, die anerkennen, dass wir nicht in hierarchiefreien Räumen leben. Wir brauchen Menschen, die anerkennen, dass Rassismus, Sexismus, Klassismus, Heteronormativität und so weiter, Strukturierungsmerkmale unserer Gesellschaft sind.“

Neben der Auseinandersetzung mit Ungleichheitsstrukturen haben Hochschulen die Verantwortung, konkrete Maßnahmen umzusetzen und zu institutionalisieren. Auch dafür hatte Professor Fereidooni einige Vorschläge, wie z.B.  Anlauf- und Beratungsstellen, die sich konkret mit intersektionalen Diskriminierungsformen auseinandersetzen, und die für betroffene Studis und Hochschulangehörige einfach und gut zu erreichen sind.

Außerdem betont Professor Fereidooni die Haltungsfrage bei Lehrenden:  Welche Materialien stelle ich in meinen Seminaren und Vorlesungen bereit?  Wen stelle ich eigentlich in meinem Team an der Uni oder der Hochschule an? Wieso ist die Studierendenschaft oft viel diverser als der akademische Betrieb? Dass auch diese beiden Fragen in Zusammenhang stehen, fasst er wie folgt zusammen: „Das führt wiederum dazu, dass Studierende of Color und Schwarze Studierende keine einzige Schwarze Professorin sehen oder keinen Schwarzen Professor sehen, dann glauben sie nicht daran, dass sie das auch mal irgendwann schaffen können, wenn sie denn wollen. Rollenvorbilder sind ganz, ganz wichtig.“

Auch für weiße und anderweitig privilegierte Studis ist es von Bedeutung, sich für Ungleichheitsstrukturen zu sensibilisieren: Weiße Studierende sollten sich ganz egoistisch mit Rassismus beschäftigen. Rassismus bringt nicht nur mir als Menschen of Color etwas bei, sondern auch weißen Studierenden. Rassismus bringt weißen Studierenden bspw. muslimische Menschen als potenziell gefährlich wahrzunehmen oder als Opfer ihrer Religion, je nachdem. […] Weiße Menschen erlernen eine Fantasie über Schwarze Menschen, über Menschen of Color und wenn sie nicht von diesen Fantasien regiert werden wollen, dann sollten sie sich ganz egoistisch mit Rassismuskritik beschäftigen, um eben diese Bilder zu verlernen.“

Am Ende des Interviews haben wir uns noch etwas Zeit zum Träumen genommen und Herrn Fereidooni gefragt, wie er sich eine antirassistische Hochschule vorstellt – hört selbst!

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