Im letzten Vortrag für das Sommersemester 2022 der Vortragsreihe ‚Hochschule & Intersektionalität‘ spricht Felicia Ewert zu der Situation von queeren und trans Studierenden an Universitäten und über die rechtliche Lage von trans Menschen in Deutschland.
Der Vortrag umfasst eine Aufklärung über gängige diskriminierende Begriffe und zeigt wie sie im Alltag verankert sind. Die Referentin beschäftigt sich mit der Existenz von offen transfeindlichen Personen und Organisationen. Hierin wird auch dargestellt, dass Transfeindlichkeit ein verbindendes Element (Querfront) zwischen entgegengesetzten politischen Strömungen sein kann. Wie tief deutsches Recht in die Leben von trans Personen eingreift, zeigt sie mit einem Überblick über das sogenannte „Transsexuellengesetz“ und widmet sich der Frage, was *wir alle* tun müssen, um bestehende diskriminierende geschlechtliche Vorstellungen zu erkennen und abzubauen.
Die kooperative Vortragsreihe wird organisiert von ‚Unser Campus – Kampagne gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt an der RUB‘ und dem AStA-Projekt ‚RUB bekennt Farbe‘.
Am 20.06.2022 findet der zweite Vortrag unserer Vortragsreihe ‚Hochschule und Intersektionalität‘, die wir in Zusammenarbeit mit dem AStA-Projekt RUB bekennt Farbe organisieren, statt.
Wir freuen uns auf den Vortrag Antirassismus im Hochschulkontext von Nezihe Erul, Trainerin für Diversity, Empowerment, Rassismus- & Diskriminierungskritik.
In dieser Veranstaltung soll es um Rassismus und Antirassismus gehen. Wie können wir Rassismus und weitere Diskriminierungsformen erkennen?
Gemeinsam wollen wir in diesem Vortrag unsere Wahrnehmung bezüglich rassistischer Handlungen und rassistischer Strukturen schärfen. Dieser Vortrag möchte Impulse setzen und lädt ein, sich in einen Reflexionsprozess zu begeben, um – im Idealfall- auf unsere Welt rassismuskritisch zu blicken und zu hinterfragen.
Am 30.05.2022 geht unserer Vortragsreihe ‚Hochschule und Intersektionalität‘, die wir in Zusammenarbeit mit dem AStA-Projekt RUB bekennt Farbe organisieren, in die zweite Runde!
Mädchen und (junge) Frauen mit Behinderung/chronischer Erkrankung werden in unserer Gesellschaft auf mehreren Ebenen diskriminiert. Ableismus und Sexismus begegnen den Mädchen und Frauen täglich. Die Auswirkungen sind weitreichend. So erleben Mädchen und (junge) Frauen mit Behinderung/chronischer Erkrankung zwei- bis dreimal häufiger sexualisierte Gewalt als der weibliche Bevölkerungsdurchschnitt und haben gleichzeitig große Schwierigkeiten sowohl bei der Suche als auch der Inanspruchnahme von Hilfe- und Unterstützungs- und Schutzangeboten aufgrund vielschichtiger Barrieren. In diesem Vortrag geht es einerseits um die Gewaltbetroffenheit und andererseits um Möglichkeiten einer gelingenden Gewaltprävention.
30.05.2022 | 18 Uhr | Zoom – Ihr könnt euch wie immer unter unsercampus@rub.de anmelden!
Viel zu selten wird über die Folgen gesprochen, die Betroffene nach Erfahrungen mit Sexismus, sexualisierter Belästigung und Gewalt erleben. Studierende, die diskriminierende und gewaltvolle Erfahrungen machen, müssen mit diesen oft neben den Herausforderungen des Studiums zurechtkommen. Dieser Zusammenhang spielt dennoch oftmals in Diskussionen um Bildungs- und Chancengerechtigkeit keine Rolle.
Das möchten wir ändern und dafür brauchen wir eure Hilfe!
Welche Erfahrungen mit Sexismus und sexualisierter Gewalt habt ihr gemacht? Inwiefern hatten bzw. haben diese Erfahrungen Einfluss auf euren Studienverlauf?
Es spielt dabei keine Rolle, ob ihr die Erfahrungen direkt am Campus oder an einem anderen Ort und/oder während eures Studiums gemacht habt, sondern inwieweit sexistische oder gewaltvolle Erfahrungen euren Studienverlauf beeinflusst haben bzw. beeinflussen.
Bei der Thematik spielt natürlich auch Intersektionalität eine Rolle: Sexismus und sexualisierte Gewalt ist immer verflochten mit weiteren Diversitäts- und Diskriminierungskategorien, wie Herkunft, Aussehen, Alter, Sexualität, Behinderung, usw.
Wir könnt ihr uns unterstützen?
Schreibt uns eine E-Mail an unsercampus@rub.de und erzählt von euren Erfahrungen.
In welcher Form wir eure Erfahrungsberichte veröffentlichen (Text, Tonaufnahme oder Interview) können wir gemeinsam entscheiden. Alle Informationen werden vertraulich behandelt und wir halten alles in Absprache mit euch! Ob ihr lieber anonym oder öffentlich über eure Erfahrungen sprechen wollt, bleibt auch völlig euch überlassen.
Was passiert mit euren Erfahrungsberichten?
Am 31.05. findet an der RUB der Diversity Tag zu dem Thema Bildungsungerechtigkeit statt. Mit den eingesendeten Erfahrungsberichten wollen wir die Besucher*innen über die Thematik informieren und mit ihnen ins Gespräch kommen.
„Geiler Arsch, Süße“, „Heute Abend noch was vor?“ und „Bleib doch mal stehen, Schätzchen!“ sind noch tendenziell harmlose Kommentare, die sich viele Menschen auf ihrem Heimweg, bei der Arbeit, an der Uni oder in anderen öffentlichen Einrichtungen anhören müssen. Diese Art der Belästigung wird als Catcallingdefiniert und bezeichnet verbale, sexuell anzügliche Belästigung von i.d.R. Cis-Männern (Cisgender: Menschen, die sich mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren) gegenüber weiblich gelesenen Personen – es kann aber jeden betreffen. Unter Catcalling fallen außerdem auch sexuell anzügliche Gesten, übergriffige Aufforderungen zu sexuellen Handlungen oder Hinterherpfeifen.
Selbst im Jahre 2022 wird Catcalling im Strafgesetzbuch nicht als Straftat identifiziert. Damit Catcalling als eine solche anerkannt wird, muss es – laut Gesetz – zu körperlichen Berührungen gekommen sein. Nur in Ausnahmefällen wird Catcalling strafrechtlich verfolgt, nämlich dann, wenn die Zurufe einer Beleidigung entsprechen.
Im Rahmen des Seminars Unser Campus – eine Hochschule ohne Gewalt setzen wir als Studierende mit dieser Aktion ein Zeichen gegen Catcalling, denn sexuelle Belästigung ist kein Kompliment und beginnt nicht erst bei Körperkontakt, sondern dann, wenn deine persönlichen Grenzen überschritten wurden. Dabei ist anzumerken, dass jede Person selber Grenzen setzt und darüber entscheiden darf, wann etwas für sich persönlich als Belästigung gilt. Kommentare von i.d.R. Cis-Männern, die Catcalling mit Aussagen wie „Stell dich nicht so an!“ oder „Frauen sind so empfindlich geworden!“ verharmlosen möchten, sind dabei außer Acht zu nehmen.
Solltest du betroffene Personen kennen oder selber von Catcalling betroffen sein, wende dich bei Interesse daran, deine Erfahrungen zu teilen und mit uns ein Zeichen gegen Catcalling am Campus zu setzen, an unsere E-Mail-Adresse (catcallingamcampus@gmail.com) und schildere uns deine Erfahrungen. Die Einsendungen werden wir im Rahmen unseres Projekts anonym (!) veröffentlichen. Wir versprechen, alle eingesendeten Mails diskret zu behandeln.
Wenn du Catcalling auf dem Campus erfahren musstest und dagegen vorgehen oder mit jemandem darüber sprechen möchtest, kannst du dich an folgende Anlaufstellen wenden:
Als Betroffene*r gibt es keine Gründe dafür, sich vorzuwerfen, falsch gehandelt oder falsch reagiert zu haben, denn ein kurzer Rock, ein weiter Ausschnitt oder ein verunsichertes Auftreten sind keine Einladung zum Catcalling.
Am 27.01. wird der Vortrag Sexismuskritische Hochschule – wie kommen wir dahin? von Laura Chlebos, Projektkoordinatorin von Unser Campus nachgeholt. Die Veranstaltung ist Teil der Vortragsreihe Hochschule und Intersektionalität, die wir in Zusammenarbeit mit dem AStA-Projekt RUB bekennt Farbe organisieren.
Worum geht es?
Die Hochschule ist ein sozialer Raum, indem sich gesellschaftliche Problemlagen und Tabuthemen widerspiegeln – so auch Sexismus und sexualisierte Gewalt.
Da der Vortrag eine Einführung in die Thematik darstellt, werden vorab Begriffe, wie Sexismus und sexualisierte Gewalt geklärt und vergeschlechtlichte Machtstrukturen, die Hochschulen durchziehen, besprochen. Ein Fokus liegt hierbei auf der vulnerablen Situation von Studierenden. Anhand von Unser Campus – eine Kampagne gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt werden Awareness- und Präventionsstrategien vorgestellt.
Laura Chlebos arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Marie Jahoda Center for International Gender Studies (MaJaC) der RUB. Dort koordiniert Sie die Kampagne Unser Campus. In Kooperation mit der Gleichstellungsstelle der Stadt Bochum entwickelte Sie außerdem die Awarenesskampagne Erkenne die Grenze, die Sicherheit im Partykontext thematisiert. 2014 gründete Laura Chlebos das feministische Kollektiv Feminismus im Pott. Darüber hinaus ist sie als Speakerin zu den Themen Sexismus, Awareness und Männlichkeit/en tätig.
27.01.2022 | 18 Uhr | Zoom – Ihr könnt euch wie immer unter unsercampus@rub.de anmelden!
Hast du Angst, im Dunkeln über den Campus zu laufen?
Wurdest du im Seminar schon mal misgendert? Also dem falschen Geschlecht zugeordnet oder mit dem falschen Pronomen angesprochen?
Hat dir ein Kommilitone aus der Lerngruppe schon mal ungewollt ein Dickpicgeschickt?
Dir ist das noch nie passiert? Anderen hingegen schon.
Der Moment, in dem du ein Bewusstsein für andere Lebensrealitäten und die Diskriminierungserfahrungen, die damit einhergehen können, entwickelst, nennt man Awareness. Übersetzt heißt Awareness so viel wie Achtsamkeit. Achtsamkeit hinsichtlich der eigenen Personen, anderer Menschen, der Umwelt: „Achte auf dich und auf andere, auf deine und ihre Grenzen und Bedürfnisse“ (Ann Wiesental)
Hier geht es also um das Schärfen des Bewusstseins für die eigenen Grenzen und Bedürfnisse, aber auch für die eigenen Stereotype und grenzüberschreitende oder diskriminierende Verhaltensweisen; sich seiner eigenen Position in der Gesellschaft und der damit verbundenen Privilegien bewusst zu sein. Eine Schwarze Frau macht in der Uni zum Beispiel andere Erfahrungen als eine weiße Frau.
Awareness geht aber über den Moment der Bewusstseinswerdung hinaus. Das Konzept, das aus der Psychologie stammt und von Aktivist*innen für ihre Arbeit nutzbar gemacht wurde, umfasst auch die sich aus dem Moment des Aware-Seins ergebenen Verhaltensänderungen. Wenn ich zum Beispiel weiß, dass eine Frau, die nachts vor mir (als Mann) herläuft und durch meine Anwesenheit Angst haben könnte, gehe ich demonstrativ etwas langsamer oder wechsele die Straßenseite. Oder wenn ich weiß, dass bestimmte Worte Menschen verletzen können, versuche ich sie demnächst einfach aus meinem Wortschatz zu streichen.
Manchmal merken wir erst durch die Reaktion unseres Gegenübers, dass wir uns grenzüberschreitend geäußert oder verhalten haben. In diesem Fall ist eine Entschuldigung angebracht und die Ambition, es das nächste Mal anders zu machen. Awareness bedeutet auch, anzuerkennen, dass Grenzen subjektiv sind. Das klingt erst mal kompliziert, weil es für uns nun mal einfacher ist, in Kategorien zu denken, aber mit ein bisschen Übung und Empathie lassen sich auch ungewohnte Situationen meistern. Jenny Odell bringt die mit Awareness verknüpfte Haltung auf den Punkt, wenn sie schreibt: „Einfaches Bewusstsein ist der Keim der Verantwortung“ (Jenny Odell)
Neben den erwähnten individuellen Denk- und Verhaltensweisen umfasst das Awarenesskonzept auch die strukturelle Ebene. Diskriminierung und Gewalt sind in unseren gesellschaftlichen Strukturen verankert. Strukturen, die aus historischen und gesellschaftlichen Machtverhältnissen gewachsen sind und bewusst sowie unbewusst Einfluss auf Individuen und Institutionen haben.
Die Arbeits- und Ausbildungsstätte Hochschule ist Abbild einer Gesellschaft und somit sowohl Ausdruck wie Produzentin der in ihr existierenden Diskriminierungsstrukturen und Hierarchien. Sexualisierte Diskriminierung und Gewalt sind Probleme, die in allen gesellschaftlichen Bereichen noch weitgehend tabuisiert sind und wenig Öffentlichkeit erfahren – so auch in der Hochschule und insbesondere der Forschung. Aus diesem Grund ist es wichtig, struktureller Diskriminierung zum Beispiel in Form von Sexismus mit entsprechenden Maßnahmen zu begegnen und angemessene Präventions-strategien zu entwickeln. Zu solchen Maßnahmen zählen u. a. Richtlinien, die darüber aufklären, was Sexismus, sexualisierte Belästigung und Gewalt sowie andere Formen der Grenzüberschreitung bedeuten, an wen man sich innerhalb der Hochschule im Notfall wenden kann und welche Möglichkeiten man als betroffene Person hat, sich zu wehren. Weitere Möglichkeiten sind Informations- und Sensibilisierungsworkshops zu den genannten Themen für alle Mitglieder der Hochschule, Fortbildungen für Menschen mit Leitungsfunktion, verschiedene Aktionen zugeschnitten auf die unterschiedlichen Statusgruppen, diskriminierungsarme Öffentlichkeitsarbeit und vieles mehr.
„In zwischenmenschlichen Beziehungen an lokalen sozialen Orten können Verhaltensweisen, Annahmen und Sichtweisen zwar verändert werden, doch zieht das leider noch keinen strukturellen Wandel nach sich.“ (Wiesental)
Aus diesem Grund müssen die individuelle und strukturelle Ebene immer zusammengedacht werden, Awarenessarbeit muss dementsprechend auf beiden Ebenen ansetzen, um nachhaltig Kulturwandel anzustoßen.
Awarenessarbeit hat also zum Ziel, eine Sensibilität und Offenheit für andere Lebensrealitäten und damit verbundene Erfahrungen zu schaffen, aber auch Betroffenen Schutz zu bieten. Grundvoraussetzung dafür ist das Erkennen und die Infragestellung der eigenen Stereotype und Vorurteile und die Motivation, diese abzubauen. Im feministischen Kontext bedeutet das, sexistische Strukturen und Verhaltensweisen zu erkennen, einen Weg zu finden, diese zu benennen und ihnen aktiv entgegenzutreten. Sich dieser diskriminierenden Gesellschaftsstrukturen oder Verhaltensweisen bewusst zu werden, verlangt Reflexionsarbeit und ein kontinuierliches (Dazu-)Lernen. Es braucht Courage und auch Empathie, sich mit der eigenen Position in der Gesellschaft und den damit verbundenen Privilegien auseinanderzusetzen und Diskriminierung zu erkennen. Auf die „eigenen ‚Mängel‘“ wird man in der Regel von anderen hingewiesen. Das heißt, Diskriminierung spürt man, den eigenen Privilegien muss man sich erst gewahr werden.
Awarenessarbeit ist eine lebenslange Aufgabe. Veränderungen finden immer im Austausch statt, sei es durch Gespräche mit Freund*innen, beim Lesen eines Buches oder dem Besuchen von Veranstaltungen.
„Reflexion geht vor und zurück, verläuft im Zickzack, beschreibt Kreise und bleibt auch mal irgendwo stecken.” (ebd.)
Es gibt nicht die eine Lösung oder einen Fahrplan, der auf alle Situationen oder Institutionen anwendbar ist. Es ist nötig, die Gegebenheiten immer wieder zu reflektieren, um auf konkrete Strukturen, Ereignisse und Menschen einzugehen.
Am 17.01.2022 geht es weiter mit unserer Vortragsreihe Hochschule und Intersektionalität, die wir in Zusammenarbeit mit dem AStA-Projekt RUB bekennt Farbe organisieren.
Wir freuen uns auf den Vortrag Klassismus an der Hochschule. Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft im universitären Bildungssystem von Francis Seeck, Kulturanthropolog*in, Antidiskriminierungstrainer*in und Autor*in.
Eine bislang weitgehend übersehene Diskriminierungsform prägt unsere Gesellschaft grundlegend: Klassismus. Klassismus bezeichnet die Diskriminierung aufgrund von Klassenherkunft oder Klassenzugehörigkeit. Klassismus richtet sich gegen Menschen aus der Armuts- oder Arbeiter*innenklasse, zum Beispiel gegen einkommensarme, erwerbslose, wohnungslose Menschen oder gegen Arbeiter*innenkinder.
Klassismus hat Auswirkungen auf die Lebenserwartung und begrenzt den Zugang zu Wohnraum, Bildungsabschlüssen, Gesundheitsversorgung, Macht, Teilhabe, Anerkennung und Geld. In dem Vortrag führt Francis Seeck in diese oft vergessene Diskriminierungsform ein und zeigt auf, wie Klassismus Hochschulen prägt. Es geht auch um Utopien: Wie würde Bildung in einer sozial gerechten Gesellschaft aussehen?
Dr.*in Francis Seeck 1987 in Ostberlin geboren, ist Kulturanthropolog*in und Antidiskriminierungstrainer*in. Als Kind einer alleinerziehenden, erwerbslosen Mutter erlebte Seeck schon früh die Auswirkungen der Klassengesellschaft. Heute forscht und lehrt Seeck zu Klassismus und sozialer Gerechtigkeit, nach einer Vertretungsprofessur für Soziologie und Sozialarbeitswissenschaft an der Hochschule Neubrandenburg nun als Post-Doc an der HU Berlin. 2020 gab Seeck den Sammelband »Solidarisch gegen Klassismus« mit Brigitte Theißl heraus. Im Frühjahr 2022 erscheint die Streitschrift »Zugang verwehrt – Keine Chance in der Klassengesellschaft: wie Klassismus soziale Ungleichheit fördert« bei Atrium.
17.01.2022 | 18 Uhr | Zoom – Ihr könnt euch wie immer unter unsercampus@rub.de anmelden!
Heute ist der Internationale Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen. Dieser Aktions- und Gedenktag hat eine über 60-jährige Geschichte:
Im Jahr 1960 werden am 25.11. die Hermanas Maribal ermordet. Sie hatten sich in der Bewegung ’14. Juni‘ gegen das herrschende, diktatorische Regime engagiert. Vorher wurden sie bereits mehrfach verhaftet. Der Auftragsmord geschah auf dem Rückweg von einem Gefängnisbesuch bei ihren Ehemännern.
Im Jahr 1981 rufen lateinamerikanische und karibische Feminist*innen den ‚Dia Internacional de la No Violencia Contra la Mujer‘ aus.
Im Jahr 1999 wird der Gedenk- und Aktionstag offiziell von der UN aufgegriffen. Die Farbe Orange steht dabei für eine Zukunft ohne Gewalt an Frauen.
Seitdem finden jedes Jahr viele Veranstaltungen & Aktionen rund um den 25. November statt! In vielen Städten werden beispielsweise bekannte und öffentliche Gebäude Orange angestrahlt.
Deutlich wird, dass insbesondere Personen, die Mehrfachdiskriminierung erleben, auch ein höheres Risiko haben, von Gewalt betroffen zu sein.
🔸 Jede 3. Frau in Deutschland ist mindestens einmal in ihrem Leben von physischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen.
🔸 81% der Betroffenen von Partnerschaftsgewalt sind Frauen
🔸 139 Frauen wurden 2020 durch Partnerschaftsgewalt getötet
🔸 2-3x häufiger haben Frauen mit Behinderung in ihrer Kindheit und Jugend sexualisierte Gewalt erfahren, im Vergleich zu Frauen ohne Behinderung.
🔸 782 Straftaten von Hasskriminalität gegen queere Personen – darunter 154 Gewalttaten mit 144 Körperverletzungen – wurden laut Bundesinnenministerium 2020 bundesweit registriert. 36% mehr als im Vorjahr.
Gewalt ist ein komplexes Phänomen. Gewalt ist vieldeutig und vielschichtig.
Was genau mit Gewalt gemeint ist, darüber streiten sich selbst die Expert*innen. Insbesondere feministische Gewaltforscher*innen und später Geschlechterforscher*innen kritisieren aber, dass ein zu enger Gewaltbegriff, der nur körperliche Handlungen als Gewalt zählt, die vielen unterschiedlichen Formen von Gewalt, die mehrheitlich Frauen treffen, unsichtbar macht.
Ein Gewaltbegriff der neben direkter körperlicher und psychischer Gewalt auch strukturelle Gewalt einbezieht, ermöglicht zudem die Analyse des Kontextes, in dem Gewalt ausgeübt wird. Er legt geschlechtsspezifische Machtverhältnisse offen.
Gewalthandlungen bei denen das angenommene Geschlecht der betroffenen Person und in der Regel des Täters eine Rolle spielen, werden auch als geschlechtsspezifische Gewalt bezeichnet. Darunter fallen z.B. sexualisierte Übergriffe, Vergewaltigung, häusliche Gewalt oder Stalking.
Nach einer Fokussierung auf weibliche Opfer und männliche Täter fand innerhalb der Gewaltforschung eine Öffnung statt. In einer mehrdimensionalen Perspektive werden sowohl Frauen als Täterinnen und Männer als Betroffene in den Blick genommen, sowie Gewalt unter Männer, gegen Mitglieder der LGBTIQA-Community oder in homosexuellen und queeren Beziehungen.
Eine zusätzliche Erweiterung stellt die Forderung nach einem intersektionellen Gewaltbegriff dar – also nach einem Analyserahmen, der neben Geschlecht weitere Diskriminierungsformen berücksichtigt.
Karim Fereidooni ist Juniorprofessur an der RUB und forscht an der Fakultät für Sozialwissenschaft im Bereich der Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung mit dem Schwerpunkt Rassismuskritik. In seinen Seminaren sitzen also zukünftige Lehrer*innen, die später beispielsweise Politik unterrichten wollen.
Im Interview hat uns Prof. Karim Fereidooni erklärt, wie es um rassismuskritische Forschung an der Uni steht, dass zum Beispiel kaum Gelder für Forschungsprojekte bereitgestellt wurden und die Bereitschaft für eine Auseinandersetzung mit Rassismus und Rassismuskritik als Analysekategorie bei den Kolleg*innen eher gering ist. Eine gute Neuigkeit ist aber die Ausschreibung des Bundesministeriums für Forschung und Bildung (BMBF) für eine instutionalisierten Rassismusforschung. Vorangetrieben wurde diese Entwicklung durch die Black Lives Matter-Proteste im vergangenen Jahr.
Fereidooni zeigt im Interview auch blinde Flecken innerhalb der Forschung auf: „Wir brauchen Studien zu Ungleichheitsstrukturen auf unserem Campus und in unserer Gesellschaft, aber wir brauchen auch Menschen, die sich mit der Umsetzung von Maßnahmen auskennen und vor allem brauchen wir […] Menschen, die anerkennen, dass wir nicht in hierarchiefreien Räumen leben. Wir brauchen Menschen, die anerkennen, dass Rassismus, Sexismus, Klassismus, Heteronormativität und so weiter, Strukturierungsmerkmale unserer Gesellschaft sind.“
Neben der Auseinandersetzung mit Ungleichheitsstrukturen haben Hochschulen die Verantwortung, konkrete Maßnahmen umzusetzen und zu institutionalisieren. Auch dafür hatte Professor Fereidooni einige Vorschläge, wie z.B. Anlauf- und Beratungsstellen, die sich konkret mit intersektionalen Diskriminierungsformen auseinandersetzen, und die für betroffene Studis und Hochschulangehörige einfach und gut zu erreichen sind.
Außerdem betont Professor Fereidooni die Haltungsfrage bei Lehrenden: Welche Materialien stelle ich in meinen Seminaren und Vorlesungen bereit? Wen stelle ich eigentlich in meinem Team an der Uni oder der Hochschule an? Wieso ist die Studierendenschaft oft viel diverser als der akademische Betrieb? Dass auch diese beiden Fragen in Zusammenhang stehen, fasst er wie folgt zusammen: „Das führt wiederum dazu, dass Studierende of Color und Schwarze Studierende keine einzige Schwarze Professorin sehen oder keinen Schwarzen Professor sehen, dann glauben sie nicht daran, dass sie das auch mal irgendwann schaffen können, wenn sie denn wollen. Rollenvorbilder sind ganz, ganz wichtig.“
Auch für weiße und anderweitig privilegierte Studis ist es von Bedeutung, sich für Ungleichheitsstrukturen zu sensibilisieren: „Weiße Studierende sollten sich ganz egoistisch mit Rassismus beschäftigen. Rassismus bringt nicht nur mir als Menschen of Color etwas bei, sondern auch weißen Studierenden. Rassismus bringt weißen Studierenden bspw. muslimische Menschen als potenziell gefährlich wahrzunehmen oder als Opfer ihrer Religion, je nachdem. […] Weiße Menschen erlernen eine Fantasie über Schwarze Menschen, über Menschen of Color und wenn sie nicht von diesen Fantasien regiert werden wollen, dann sollten sie sich ganz egoistisch mit Rassismuskritik beschäftigen, um eben diese Bilder zu verlernen.“
Am Ende des Interviews haben wir uns noch etwas Zeit zum Träumen genommen und Herrn Fereidooni gefragt, wie er sich eine antirassistische Hochschule vorstellt – hört selbst!
Unser digitales Selbstlernangebot auf Moodle bietet die Möglichkeit, sich mit Themen vertraut zu machen, die gesellschaftlich viel verhandelt werden und auch für unser Miteinander auf dem Campus eine große Rolle spielen. Hier erklären wir, welche Formen Sexismus an der Hochschule annehmen kann, was jede*r Einzelne tun kann, wenn sie grenzüberschreitende Situationen beobachten oder wie Männer Verbündete im Kampf gegen sexualisierter Gewalt werden können. Ein wichtiges Kurstool ist unsere Datenbank mit Hilfsangebot und Anlaufstellen. Menschen, die in einer Notsituation sind oder Menschen, die Kontakt mit einer betroffenen Person haben, können hier unkompliziert nach geeigneten Angeboten suchen. Neben Hilfsangeboten zu Sexismus und sexualisierter Gewalt finden sich dort auch Initiativen und Institutionen, die im Fall von Diskriminierung aufgrund der geschlechtlichen Identität oder der sexuellen Orientierung unterstützen. Genauso wie im Fall von rassistischer oder antisemitischer Gewalt.
Einen Bericht über unseren digitalen Selbstlernkurs bei RUB News findet ihr hier!
Das Angebot richtet sich in erster Linie an Studierende, die vielleicht schon mal von den ganzen Begriffen gehört, aber noch keine Gelegenheit hatten, sich intensiver damit auseinanderzusetzen. Die neugierig sind und sich selbstständig weiterbilden wollen. Uns war es ein Anliegen, das Angebot so niedrigschwellig wie möglich zu halten. Deswegen haben wir auch ein Glossar eingebaut, in dem unbekannte Worte nachgeschlagen werden können. Falls Begrifflichkeiten darüber hinaus unklar bleiben, kann man sich gerne an uns wenden und wir tragen sie nach.
Natürlich sind aber auch alle anderen herzlich Willkommen, unseren Kurs zu besuchen. Er ist frei zugänglich (OpenRUB). Unser Campus ist als fortlaufender Kurs konzipiert und wird kontinuierlich erweitert. Wer auf dem Laufenden bleiben möchte, schreibt sich am besten in den Kurs ein.
Sich mit neuen Themen auseinanderzusetzen, lohnt sich immer. Vor allem wenn man so dazu beitragen kann, den Campus gleichberechtigter und sicherer zu gestalten. Zu lernen, dass wir in einer Welt leben, die immer noch sexistisch oder rassistisch ist und welche Folgen das für Betroffene hat, sensibilisiert für andere Lebensrealitäten und betont die Wichtigkeit der eigenen Rolle im Kampf gegen jegliche Diskriminierung. Übertragen auf den Hochschulalltag bedeutet das zum Beispiel, dass eine Schwarze Frau andere Erfahrungen macht als ein weißer Mann und sich in ihrem Studium ganz anderen Hürden ausgesetzt sieht. Ein antisexistisches oder antirassistisches Bewusstsein zu entwickeln, ist ein wichtiger erster Schritt. Um aber nicht auf der theoretischen Ebene zu verweilen, geben wir noch Handlungsmöglichkeiten für den Alltag mit an die Hand. Passend dazu findet ihr in unserem Moodlekurs seit dieser Woche einen Podcast, in dem Prof. Dr. Karim Fereidooni erklärt, wie rassismuskritische Forschung und Lehre aussehen muss. Denn um eine nachhaltige Prävention zu gewährleisten, müssen die Maßnahmen auf individueller und struktureller Ebene ansetzen.
Wir möchten Euch herzlich zu unserer Veranstaltung „Männlichkeit(en) und Toxic Masculinity“ am 10.11.21 von 19-20 Uhr einladen. Die Veranstaltung besteht aus einem Input des Autors und #HeforShe Botschafters Fikri Anıl Altıntaş mit anschließendem Gespräch. Das Ganze wird via Zoom stattfinden. Anmelden könnt Ihr Euch bis zum 09.11.21 unter unsercampus@rub.de
Fikri Anıl Altıntaş gibt in seinem Input einen Überblick über den Begriff „(Toxische) Männlichkeit(en)“, was er bedeutet, wie er selber zu einer bestimmten Form der Männlichkeit sozialisiert wurde und was das alles mit unterschiedlichen Formen von sexualisierter Gewalt zu tun hat.
Warum ist der Begriff praktisch, aber auch gefährlich? Welchen Einfluss haben Politik und Gesellschaft an Männlichkeit(en)? Und wie können besonders cis Männer anfangen, sich von traditioneller Rollenbildern zu lösen?
Fikri Anıl Altıntaş [er] ist freier Autor aus Berlin und #HeForShe Botschafter von UN Women Deutschland. Er schreibt über (kritische) Männlichkeit(en), Rollenbilder, Konstruktion von marginalisierten, nicht-weißen Männlichkeiten und postmigrantischen Themen. In seinen Texten reflektiert er u.a. seine persönliche Sozialisation als auch Narrative über rassifizierte, türkisch-muslimisch gelesene cis-hetero Männer in einer weißen Mehrheitsgesellschaft. Seine Texte sind bereits u.a. in der Taz, der Freitag, Pinkstinks und Neues Deutschland erschienen.
Wir von Unser Campus und RUB bekennt Farbe laden euch am 04.11.21 herzlich zum Vortrag „Was ist eigentlich Intersektionalität?“ ein. Mit diesem Vortrag eröffnen wir eine gemeinsame Vortragsreihe zum Thema „Hochschule und Intersektionalität“.
Juliana Kolberg vom Verein xart splitta wird am 04.11.21 um 18 Uhr die Entstehungsgeschichte von Intersektionalität (Mehrfachdiskriminierung) erläutern und deren Bedeutung für das Lernen und Lehren an der Hochschule veranschaulichen.
Menschen können aufgrund vielfältiger Faktoren Diskriminierung erfahren: z. B. Geschlechtsidentität, Hautfarbe, sexuelle Orientierung, Religion, Alter, Behinderung, Klasse. Diese Diskriminierungsformen können aber auch mit einander verwoben sein. Ein trans Frau, die einen Rollstuhl benötigt, wird in der Uni andere Erfahrungen machen als ein cis Mann.
In der Wissenschaft wird in dem Fall auch von Intersektionalität gesprochen: damit wird auf die Wechselbeziehungen und Überlagerungen verschiedener Achsen der sozialen Ungleichheit und den daraus hervorgehenden spezifischen (Diskriminierungs-)Erfahrungen eingegangen.
Rassismus ist eine spezifische Form der Diskriminierung gegenüber nicht-weiß gelesenen Menschen: Anti-Schwarzer Rassismus, antimuslimischer Rassismus, antiasiatischer Rassismus sowie Rassismus gegenüber Rom*nja und Sinti*zze. Je nach theoretischer Grundlage kann auch Antisemitismus dazu gezählt werden. Diese verschiedenen Rassismen sind historisch gewachsene Konstrukte mit verschiedenen Entstehungsgeschichten, um Gewalt und Unterdrückung gegenüber nicht-weiß gelesenen Menschen zu legitimieren. Bis heute strukturieren rassistische Wissensbestände unsere Welt. Das bedeutet, erstens sind wir alle eingebettet in diese Ungleichheitsstruktur und zweitens, dass wir alle rassistische Wissensbestände und Verhaltensweisen erlernt haben.
Aber es ist sehr wichtig zu verstehen, dass uns Rassismus nicht auf dieselbe Art und Weise betrifft, sondern dass weiße Menschen weiße Privilegien haben, die nicht-weiße Menschen nicht haben und dass nicht-weiße Menschen Diskriminierungen und Gewalt erfahren, die weiße Menschen niemals erfahren können.
Dabei ist rassistische Diskriminierung nicht alleine stehend: Eine Schwarze Frau erfährt eine andere Form der Diskriminierung als ein muslimischer Mann.
Auch unser Campus ist keine rassismusfreie Zone:
Rassismus ist in die Institution Hochschule eingeschrieben, beispielsweise in Form des institutionellen Rassismus. Rassismus spielt sich auf verschiedenen Ebenen ab: Es gibt den institutionellen, den internalisierten und den interpersonalen Rassismus und den Alltagsrassismus.
„Auf diesen Ebenen werden Machtverhältnisse geschaffen, die die gesellschaftlichen Strukturen und sogar globare Hierarchien zwischen Ländern und zwischen Kontinenten herstellen. Der Begriff ’struktureller Rassismus‘ bezeichnet dementsprechend rassistische Machtmechanismen, die in Individuen, Gesellschaften oder Institutionen verankert sind und diese negativ beeinflussen.“ (Natasha A. Kelly).
Hausarbeiten schreiben, im Labor stehen oder Tutorien leiten – manchmal merkt man im Studium schon, dass das Forschen und das Lehren und Lernen so viel Freude bereitet, dass der Gedanke aufkommt: Eigentlich will ich nicht mehr weg von der Universität!
Die akademische Laufbahn beginnt mit dem Bachelorstudium und endet im besten Fall mit der Berufung auf eine Professur. Die vielen Qualifizierungsschritte dazwischen – Master, Promotion und Habilitation, die Anstellung als wissenschaftliche Hilfskraft und später als wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in – erfordern ein immenses Durchhaltevermögen und eine gute Portion Glück aufgrund der meist prekären Verhältnisse durch Abhängigkeiten von Drittmittel-Anträgen, der befristeten Stellen und der Abhängigkeit von Beziehungen und Netzwerken. Auf Twitter teilen derzeit viele Betroffene, wie es ihnen im Wissenschaftsbetrieb geht oder ergangen ist: #IchBinHanna#IchBinReyhan#ACertainDegreeOfFlexibility
Wer letztendlich auf den akademischen Spitzenpositionen, bspw. der Lebenszeit-Professur, sitzen darf, hängt jedoch von wesentlich mehr Faktoren ab als von der eigenen Leistung.
Obwohl in NRW die Studierendenschaft nach Geschlecht fast paritätisch aufgeteilt ist und sogar mehr Frauen als Männer das Bachelorstudium abschließen, besetzen nur ein Viertel, um genau zu sein 25,2 %, Frauen eine Professur. Dieses Phänomen nennt sich in der Wissenschaft Leaky Pipeline und wurde 1983 von Sue E. Berryman in ihrer Studie „Who will do Science?“ geprägt.
Die Leaky Pipeline in NRW in Zahlen:
Studierende: Männer 52,7 % und Frauen 47,3 %
Absolvent*innen: 48,5 % Männer und 51,5 % Frauen
Promovierte: 56,5 % Männer und 43,4 % Frauen
Habilitierte: 72,4 % Männer und 27,6 % Frauen
Professor*innen: 74,8 % Männer und 25,2 % Frauen
W3-Professuren (mit Lehrstuhl): 76,5 % Männer und 23,5 % Frauen
Die LeakyPipeline im Detail:
Schon bei den Absolvent*innen tut sich die erste Lücke auf: Im Verhältnis machen zwar mehr Frauen einen Bachelorabschluss, aber den Master schließen bereits mehr Männer ab (Männer: 51,9 %/Frauen: 48, 1%). Und ab da geht die Schere immer weiter auseinander. Rechnet man zum Beispiel Universitäten mit Klinikum und Hochschulmedizin als Fach raus, liegt die Quote der promovierten Frauen nur noch bei ca. 30 %.
Besonders in der sogenannten Post-Doc-Phase verlassen viele Frauen die Wissenschaft.
Lediglich bei den im Jahr 2002 eingeführten Juniorprofessuren lässt sich eine geschlechtergerechtere Berufungsquote feststellen (43,2 % Frauen bundesweit). Juniorprofessor*innen können ohne Habilitation berufen werden, um bereits nach der Promotion unabhängig zu forschen, und sparen sich damit eine weitere Qualifizierungsphase. Auch diese Stellen sind jedoch oft befristet und ohne Tenure-Track und damit nicht zwingend auf Entfristung ausgelegt. Die berufliche Zukunft bleibt also unsicher.
Auch wenn man verschiedene Fächer betrachtet, ist eines besonders auffällig: Der Unterschied zwischen einer nahezu paritätischen Aufteilung nach (binär gedachtem) Geschlecht innerhalb der Studierendenschaft und die Zahl der Frauen, die am Ende eine Professur besetzen.
In den Geisteswissenschaften, den Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und in der Humanmedizin bzw. den Gesundheitswissenschaften gibt es sogar weitaus mehr als 50 % weibliche Studierende. In keinem dieser Fächer gibt es annähernd so viele weibliche Professorinnen. Den größten Gap gibt es im Fach Humanmedizin, in dem zwar 66,8 % der Studierenden und 60,1 % der Promovierenden weiblich sind, letztendlich jedoch nur 20,9 % der Professuren von Frauen besetzt sind. Ausgenommen von dieser Form des Gender Gaps sind allein die Ingenieurwissenschaften, in denen es insgesamt nur wenig weibliche Studierende gibt (ca. ein Fünftel).
Zusammenfassend lässt sich feststellen: Je höher die Hierarchieebene in der Wissenschaft, umso weniger Frauen finden sich dort. Aber woran liegt das? Die sogenannte Qualifikationsphase in der Wissenschaft ist oft ungemein prekär und unsicher und fällt oft mit der Phase der Familienplanung zusammen. In Deutschland wird der größte Teil der unbezahlten Sorgearbeit immer noch von Frauen getragen, d. h., sie kümmern sich in der Regel mehr um Kinder, nehmen länger Elternzeit und arbeiten danach oft Teilzeit oder pflegen bedürftige Verwandte. Die Wissenschaft sieht jedoch keine Teilzeitbeschäftigung für Professuren vor, wenn es um Care-Arbeit geht. Nebenbei beispielsweise ein Architekturbüro zu leiten und deswegen in Teilzeit eine Professur zu besetzen, ist allerdings durchaus üblich. Auch wenn in den einzelnen Qualifizierungsschritten als wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in die meisten Stellen nur auf 50 % ausgelegt sind, liegt der Anspruch und die eigentliche Arbeitszeit meistens trotzdem bei 100 %.
Damit werden Frauen vor die Wahl gestellt: Wissenschaft oder Sicherheit bei der Familienplanung?
Dazu kommt die Problematik, dass Hochschulstrukturen und der Wissenschaftsbetrieb männlich und weiß dominiert sind. Dies spiegelt sich auch in den Personalentscheidungen wider: Menschen neigen dazu, eher Menschen einzustellen, die ihnen ähnlich sind. Wenn also aufgrund von althergebrachten gesellschaftlichen Verhältnissen ein Großteil der Stellen auf Lebenszeit von weißen Männern besetzt sind, ist es sehr wahrscheinlich, dass diese ebenfalls weiße Männer einstellen und weiterempfehlen. Diesen Effekt nennt man homosoziale Kooptation. Die Ungleichheiten des Systems reproduzieren sich damit selbst. Weniger Frauen werden berufen, weniger Frauen sitzen in den entscheidenden Gremien. Dasselbe gilt für Menschen mit Behinderung, für People of Color und Menschen mit Migrationsgeschichte, für queere Menschen und für Kinder aus Arbeiter*innenfamilien. Die Wissenschaft als Arbeitswelt ist bisher ein ausschließendes System. Was ist mit Gewalt? Dass es in starken Abhängigkeitsverhältnissen schneller zu Machtmissbrauch und damit zu rassistischer oder sexualisierter Gewalt kommt, ist kein Geheimnis (hierzu ein Info-Text von Unser Campus). Gleichzeitig ist es stark tabuisiert, als Betroffene*r Erfahrungen öffentlich anzusprechen oder sich gar zu beschweren, da ansonsten die Aussicht auf eine weitere Vertragsanstellung in der Befristungskette gefährdet ist. Sexistische und rassistische Vorurteile machen auch vor der Uni keinen Halt, sodass sich mehrfach diskriminierte Menschen in der Wissenschaft einer besonders starken Belastung aussetzen müssen (hier zu insbesondere #IchBinReyhan).
Neben Gleichstellungsmaßnahmen an Hochschulen bräuchte es auch tiefergehende Diversity-Maßnahmen, von denen in der Wissenschaft nicht nur weiße Frauen profitieren, sondern im Besonderen People of Color und Menschen mit Migrationsgeschichte. Durch das Fehlen marginalisierter Personengruppen in der Wissenschaft und an den Hochschulen entsteht eine Leerstelle, die nicht nur die Gegenwart beeinflusst, sondern auch zukünftige Forschung und Lehre und damit die zukünftige Gesellschaft. Ohne Vorbilder ist es für nachfolgende Generationen schwieriger, sich einen eigenen Platz an der Hochschule vorzustellen. Zudem werden damit Forschungsperspektiven ausgeblendet, die sich nicht als männlich und weiß positionieren.
Auch hier ist zu betonen: Die Unterrepräsentation queerer Menschen, Menschen mit Behinderung und Kindern aus Arbeiter*innenfamilien bestärkt diese Leerstelle um ein Vielfaches!
[Die Zahlen beziehen sich auf den Gender Report 2019, der mit Zahlen aus dem Jahr 2017 arbeitet. Alle drei Jahre wird der Gender Report neu veröffentlicht, der nächste steht im Jahr 2022 an.]
„Solidaritäten gestalten. Für eine geschlechtergerechte Hochschulpolitik‘ ist das Thema der diesjährigen bukof-Jahresveranstaltung, die kommende vom 20.09-22.09.21 Woche online stattfindet.
Neben einer spannenden Keynote von Prof. Dr. Maisha Auma zu antirassistischer Gleichstellungspolitik organisiert die AG gender.macht.wissenschaft einen Roundtable mit verschiedenen Akteur*innen zu den Themen Sexismus und sexualisierte Gewalt in der Wissenschaft und an Hochschulen.
Wir von Unser Campus werden mit dabei sein und unser Projekt vorstellen. Wir freuen uns auf einen regen Austausch über Hürden, Strategien und Erfolge unserer Arbeit!
Wenn dir jemand erzählt, dass er*sie sexualisierte Gewalt erlebt hat, wird dich das wahrscheinlich schockieren. Vielleicht macht es dich traurig oder wütend oder alles zusammen, aber wichtig ist, dass du versuchst, in der Situation einen kühlen Kopf zu bewahren, für die Person da zu sein und auf ihre Bedürfnisse zu achten. Sie benötigt jetzt deine Unterstützung.
Hör‘ zu
Die Person erzählt dir von ihrer Erfahrung, weil sie dir vertraut. Wenn du ihr zuhörst, wird sie sich weniger alleine fühlen. Außerdem hilft das Erzählen der Person dabei, sich besser an das Geschehene zu erinnern und zu verarbeiten. Also versuche, dich in dieser Situation zurückzunehmen und nur dann deine Einschätzung zu geben, wenn du explizit danach gefragt wirst.
Glaube der Person
Über sexualisierte Gewalt zu sprechen, fällt nicht leicht und setzt in der Regel ein Vertrauensverhältnis voraus. Also glaub‘ der Person ihre Geschichte und stelle sie nicht in Frage.
Aus dem Grund solltest du auf Fragen wie „Aber warum hast du auch diesen Weg genommen?“ oder „Warum bist du mit jemandem mitgegangen, den du kaum kennst?“ verzichten. Stattdessen kannst du der Person sagen, dass du ihr glaubst und dich für ihr Vertrauen bedanken.
Falls sie die Schuld für den Übergriff bei sich sucht, solltest du ihr bewusstmachen, dass es keine Rechtfertigung für das Überschreiten ihrer Grenzen geben kann und deshalb auch nur die Person Schuld trägt, die übergriffig geworden ist. So hilfst du ihr dabei, der eigenen Wahrnehmung wieder mehr zu trauen.
Frag‘ nach, wie du helfen kannst
Frag‘ die Person, wie du ihr am besten helfen kannst. Manchmal möchte sie in dem Moment nichts weiter, als dass du ihm* ihr ein offenes Ohr schenkst. Auch Mitleid oder ein Wutanfall à la „Ich könnte ihn umbringen“ helfen der Person in ihrer Situation meist nicht weiter.
Wenn du dich mit dem Erzählten überfordert fühlst oder nicht weißt, was du sagen sollst, kannst du das der Person mitteilen.
Gib‘ keine ungefragten Ratschläge und übe keinen Druck auf sie aus, indem du sie z. B. dazu drängst, zur Polizei zu gehen. Nur sie kennt ihr Tempo und Bedürfnisse, danach solltest du handeln.
Unterstütze die Person
Hilf der Person, sich selbst zu schützen, wenn der Angriff noch nicht vorüber ist.
Aber jeder Schritt muss mit ihr abgesprochen werden. Handele nicht auf eigene Faust. Während des sexualisierten Übergriffs wurden die Grenzen der betroffenen Person verletzt, so dass du nun sensibel vorgehen musst und es vermeiden solltest, ihr das Gefühl von einer wiederholten Überschreitung ihrer Grenzen zu geben.
Du kannst auch selber Hilfe in Anspruch nehmen
Auch wenn die Person sich an dich wendet, weil sie deine Unterstützung braucht, ist es wichtig, dass du auf deine eigenen Grenzen achtest. Falls du befürchtest, dich ‚falsch‘ zu verhalten, wende dich an eine Beratungsstelle. Dort wird sich auch um Angehörige und Freund*innen gekümmert. Hier kannst du auch Fragen zum Strafrecht stellen.
Das Hilfetelefon erreichst du zum Beispiel rund um die Uhr und auch an Wochenenden und Feiertagen: 08000 116 016
Urteile nicht
Es kann auch sein, dass die Person sich nicht helfen lassen möchte, obwohl du aus deiner Perspektive Handlungsbedarf siehst. Im Fall von häuslicher Gewalt geht die Person eventuell auch wieder zur übergriffigen Person zurück. Stelle dich darauf ein, dass sie anders handelt, als du es in dem Moment erwartest oder es dir wünschst und mache ihr keinen Vorwurf daraus, auch wenn du die Entscheidung in dem Moment nicht nachvollziehen kannst. Habe Geduld und frage öfters nach, wie es der betroffenen Person geht.
In unserem virtuellen Selbstlernkurs erfährst du, was du tun kannst, um Diskriminierung und Gewalt entgegenzutreten.
„Es sind nicht unsere Unterschiede, die uns entzweien. Es ist unsere Unfähigkeit, diese Unterschiede zu erkennen, zu akzeptieren und zu feiern.“
(Original: „It is not our differences that divide us. It is our inability to recognize, accept, and celebrate those differences.‘)
Audre Lorde
„Ich sehe keine Hautfarbe. Ich sehe nur Menschen“ – vielleicht hast du diesen Satz schon mal gehört oder selber gesagt? Dieser Satz wird gewöhnlich von weißen* Menschen genutzt, um ihre antirassistische Haltung zu untermauern. Klar, die Intention dahinter ist gut, aber letztendlich werden durch ihn Lebensrealitäten von Menschen unsichtbar gemacht wie zum Beispiel von Schwarzen* Menschen, die bis heute aufgrund ihrer Hautfarbe Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren.
Das Zitat der Dichterin und Feministin Audre Lorde weist darauf hin, dass die verschiedenen Lebensrealitäten und (Diskriminierungs-)Erfahrungen von Menschen erkannt und ernstgenommen werden müssen, um ernsthaft Solidarität zu praktizieren.
Menschen können aufgrund vielfältiger Faktoren Diskriminierung erfahren: z. B. Geschlechtsidentität, Hautfarbe, sexuelle Orientierung, Religion, Alter, Behinderung, Klasse. Diese Diskriminierungsformen können aber auch mit einander verwoben sein. Ein trans Frau, die einen Rollstuhl benötigt, wird in der Uni andere Erfahrungen machen als ein cis Mann.
In der Wissenschaft wird in dem Fall auch von Intersektionalität gesprochen: damit wird auf die Wechselbeziehungen und Überlagerungen verschiedener Achsen der sozialen Ungleichheit und den daraus hervorgehenden spezifischen (Diskriminierungs-)Erfahrungen eingegangen. Die Rechtstheoretikerin Kimberlé Crenshaw prägte dafür den Begriff der Intersektionalität und mit ihm das Bild einer Straßenkreuzung, auf der sich ungleichheitsformende soziale Diskriminierungsverhältnisse schneiden und von denen Menschen daher sehr unterschiedlich betroffen sein können. Der Kampf für die Anerkennung von Differenz und Identität ist aber „so alt wie die Kämpfe gegen Versklavung und Kolonialismus“, schreibt die Soziologin Natasha A. Kelly. Schon 1851 stellte die Frauenrechtlerin Sojourner Truth in ihrer Rede bei der Womens Convention in Akron, Ohio, die Frage „Ain’t I a Woman?“ Bin ich keine Frau? Sie kritisierte unter anderem die Tatsache, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts kein Wahlrecht besaßen, und die Präsenz von Rassismus und Klassenunterdrückung innerhalb der Frauenbewegung selbst.
„Wissenschaftlich betrachtet ist Intersektionalität ein soziologisches Konzept, das erlaubt, Identität als vielschichtiges Konstrukt zu verstehen. Im Gegensatz zu Queer Theory, die Identitätskategorien an sich infrage stellt, funktioniert die Intersektionalitätstheorie wie ein Prisma, durch das einzelne Kategorien und ihre Verbundenheit miteinander betrachtet werden können.“(Natasha A. Kelly 2017)
Mithilfe einer intersektionalen Perspektive können eindimensionale Analysen von Ungleichheit überwunden, Unterschiede und Identitäten anerkannt und gesellschaftliche Herrschaftsstrukturen sichtbar gemacht werden.
„Nicht gesehen werden, nicht gehört zu werden, ist unerträglich. Weil es unsere Menschlichkeit infrage stellt.“(Emilia Roig 2021).
Um Veränderung anzustoßen und Solidarität auszuüben, ist es notwendig, verschiedene Erfahrungen und Lebensrealitäten anzuerkennen, die eigene Verwobenheit in bestehende Herrschaftsstrukturen und die damit verbundenen Privilegien zu reflektieren und letztendlich am Abbau von Sexismus, Rassismus, Behindertenfeindlichkeit und anderen Diskriminierungsstrukturen mitzuwirken.
*Weißsein und Schwarzsein stehen nicht für biologische Eigenschaften oder gar reelle Hautfarben. Vielmehr soll durch diese Schreibweisen die politische und soziale Konstruktion kenntlich gemacht werden.
Schwarze Menschen ist eine politische Selbstbezeichnung und wird aus diesem Grund immer großgeschrieben. Diese Schreibweise verweist auf die gemachten Rassismuserfahrungen von Menschen. Auch hier geht es wieder nicht um biologische Eigenschaften oder eine Farbbezeichnung.
Weiße Menschen wird kursiv und im Satz kleingeschrieben. Diese Schreibweise verweist auf eine privilegierte Position innerhalb unserer Gesellschaft, die durch Rassismus strukturiert ist. Sie macht außerdem sichtbar, dass Weißsein keine ‚natürliche‘ Kategorie ist, sondern sozial konstruiert.
Wenn du mehr über das Thema Intersektionalität lernen möchtest, schau doch mal in unserem virtuellen Selbstlernkurs vorbei.
Die #MeToo-Debatte, die seit dem Jahr 2017 insbesondere die internationale Medien-, Kunst- und Kulturszene erschüttert, erhöhte auch an den Hochschulen in Deutschland die Aufmerksamkeit für das bis dahin stark tabuisierte Themenfeld der sexualisierten Diskriminierung und Gewalt.
Ein Meilenstein bildete die Empfehlung der 24. Mitgliederversammlung der Hochschulrektorenkonferenz vom 24.04.2018, die sich gegen sexualisierte Diskriminierung und sexuelle Belästigung an Hochschulen richtete und verschiedene Maßnahmenpakete beinhaltete. Die DFG hat zudem den Kodex „Leitlinien guter wissenschaftlicher Praxis“ verabschiedet, der am 01.08.2019 in Kraft trat. Dieser umfasst in Leitlinie 4 auch Maßnahmen gegen Machtmissbrauch sowie das Ausnutzen von Abhängigkeitsverhältnissen. Die Mitgliedshochschulen sind gehalten, bis zum 31.07.2021 die Umsetzung der Leitlinien des Kodex zu gewährleisten.
Wie dringend notwendig auch an Hochschulen eine intensive(re) Beschäftigung mit sexualisierter Diskriminierung und Gewalt ist, zeigten nicht zuletzt verschiedene Fälle der Jahre 2017-2019, die unterschiedliche Hochschultypen und Forschungseinrichtungen betrafen. Sie wurden in überregionalen Medien intensiv verfolgt. Darüber hinaus beschäftigten sich einschlägige Zeitschriften wie „Forschung & Lehre“ sowie die „DUZ“ in Artikeln mit dem Umgang der Hochschulen mit sexualisierter Diskriminierung und Gewalt. Es lässt sich sagen: Die #MeToo-Debatte führte an den Hochschulen das Thema der sexualisierten Diskriminierung und Gewalt endlich aus dem „Dunkelfeld“.
Der hochschulische Alltag zeigt jedoch auch: Der Weg hin zu einem offeneren Diskurs und einem kompetenten Umgang mit sexualisierter Diskriminierung und Gewalt ist weit. Zwar existieren an deutschen Hochschulen vielfach Richtlinien, die – durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) angestoßen – das Thema der sexualisierten Diskriminierung und Gewalt adressieren. Jedoch herrscht unter Jurist*innen Uneinigkeit darüber, ob diese über die Hochschulbeschäftigten hinaus auch für Studierende Gültigkeit haben. An vielen Hochschulen sind schließlich die Verfahrenswege bei konkreten Vorfällen unklar. Unklar erscheint überdies, ob und in welchem Umfang Präventionsmaßnahmen überhaupt zur Umsetzung kommen bzw. geeignet sind, ihr intendiertes Ziel zu erreichen.
Die Tagung „MeToo in Science“ nimmt sich mit zwei Veranstaltungen (17.06.2021, 16:00-19:30 Uhr; 01.07.2021, 16:00-19:30 Uhr) dieser komplexen Situation an, um die Diskussion über strukturelle und rechtliche Rahmenbedingungen zu intensivieren sowie den Austausch über innovative Präventionsmaßnahmen zu führen. Sie richtet sich an Wissenschaftsorganisationen, Hochschulleitungen, Ministerien, Gleichstellungsbeauftragte, Mitarbeiter*innen in beratender Tätigkeit (Studierende/Personen im Qualifikationsprozess), Ombudspersonen, Wissenschaftler*innen, Wissenschaftmanager*innen, Personalräte/Gewerkschaften und andere Interessierte.
Der erste Tagungsteil (17.06.2021, 16:00-19:30 Uhr) befasst sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen. Impulse aus dem Bereich der Rechtswissenschaften geben Prof. Dr. Eva Kocher (Europa Universität Viadrina) und Prof. Dr. Ulrike Lembke (HU Berlin). Es diskutieren schließlich die Vizepräsidentin des Europäischen Parlamentes, Katarina Barley (Brüssel), und Prof. Dr. Birgitt Riegraf (Universität Paderborn).
Der zweite Tagungsteil (01.07.2021, 16:00-19:30 Uhr) fokussiert die Möglichkeiten geeigneter und innovativer Prävention, sexualisierter Diskriminierung und Gewalt an Hochschulen vorzubeugen und zu begegnen.
Haben Sie Fragen zur Veranstaltung? Bitte wenden Sie sich an das Organisationsteam:
Ruhr-Universität Bochum: Dr. Beate von Miquel, E-Mail: beate.vonmiquel@rub.de
Universität Paderborn: Dr. Claudia Mahs, E-Mail: cmahs@mail.upb.de
Anmeldung bis zum 17.05.21 unter anne.tilse@rub.de
Die Hochschule ist ein sozialer Raum. Auch hier spiegeln sich gesellschaftliche Problemlagen und Tabuthemen wider – so auch Sexismus und sexualisierte Gewalt. Der Vortrag stellt eine Einführung in die Thematik dar und legt einen besonderen Fokus auf die vulnerable Situation von Studierenden.
Der Vortrag findet über Zoom statt.
Workshop: Awareness(arbeit)
Teil 1: 30.06. | 10-12 Uhr
Teil II: 07.07. | 10-12 Uhr
Anmeldung bis zum 28.06.21 unter anne.tilse@rub.de
Awarenessarbeit hat zum Ziel, eine Sensibilität und Offenheit für andere Lebensrealitäten und damit verbundene Erfahrungen zu schaffen. Grundvoraussetzung dafür ist, das Erkennen und die Infragestellung der eigenen Stereotype und Vorurteile und die Motivation, diese abzubauen. Darüber hinaus umfasst Awareness auch das Erkennen von diskriminierenden Strukturen und die eigene Verwobenheit in diese. Diese machtkritische Haltung hat zum Ziel, Diskriminierungsstrukturen abzubauen und Kulturwandel anzustoßen.
Agenda des Workshops:
• Was bedeutet Awareness?
• How to be aware?
• Beispiel aus der Praxis: „Unser Campus“ – eine Kampagne gegen sexualisierte Diskriminierung und Gewalt
• Awarenessarbeit an Hochschulen
Der Workshop findet über Zoom statt.
Laura Chlebos arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Marie Jahoda Center for International Gender Studies, wo Sie „Unser Campus“ – eine Kampagne gegen sexualisierte Diskriminierung und Gewalt koordiniert.
Laut einer von der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) im Jahr 2020 veröffentlichten Umfrage unter LGBTI-Personen lebt die Hälfte der queeren Menschen ihre sexuelle Orientierung bis heute nicht offen aus. Dieses Ergebnis nahmen drei Mitarbeiter*innen des Seminars für Slavistik zum Anlass, um ihre Expertise und ihr Engagement in dem interdisziplinären Gleichstellungsprojekt „Queer im Leben“ zu bündeln. Mit dem vom Lore-Agnes-Programm geförderten Projekt möchten Michael Troitski-Schäfer, Daria Khrushcheva und Natalie Berg einen Austausch zwischen LGBTQIA*-Personen und Menschen fördern, die sonst wenig bis keine Berührungspunkte mit der queeren Lebenswelt haben. Laura Chlebos hat mit Natalie Berg über die Inhalte von „Queer im Leben“, die Lebensverhältnisse von in Russland lebenden LGBTQIA*-Personen und die Bedeutsamkeit von Vernetzung gesprochen.
Laura Chlebos: Vielen Dank, dass du dir für dieses Interview Zeit nimmst! „Queer im Leben“ heißt das Projekt – was steckt dahinter?
Natalie Berg: Das Rektorat der Ruhr-Universität Bochum hat im Sommer 2020 im Rahmen der Lore-Agnes-Projektausschreibung entschieden, unser interdisziplinäres Gleichstellungsprojekt, das dem Seminar für Slavistik/Lotman-Institut für Russische Kultur zugeordnet ist, mit Fördermitteln zu unterstützen. Derzeit entsteht bei uns nicht nur eine Lehrveranstaltung für den Studiengang Slavistik mit öffentlicher Vortragsreihe, sondern auch ein eigens für das Alfried Krupp-Schülerlabor konzipierter Projekttag für Schüler*innen der Mittel- und Oberstufe. Der thematische Schwerpunkt liegt auf der Region Osteuropa mitsamt der historischen, politischen und sozialen Bedingungen für die gesellschaftliche Entwicklung der queeren Community. Im Schülerlabor soll zudem die Arbeit von deutschen und russischen LGBT+-Organisationen vorgestellt werden. Auf diese Weise möchten wir einen Beitrag zur Sichtbarkeit der queeren Gemeinschaft in der Gesellschaft leisten und das Verständnis sowie Interesse für sie fördern. Unser Projekt zielt auf den Austausch zwischen LGBTQIA*-Personen und Menschen ab, die sonst wenig bis keine Berührungspunkte mit der queeren Lebenswelt haben.
Wer leitet das Projekt?
„Queer im Leben‘ wird noch bis zum 31. März 2021 von Michael Troitski-Schäfer geleitet. Daria Khrushcheva löst ihn zum Sommersemester ab, damit er sich unter anderem seinen Aufgaben bei Quarteera e.V. in Berlin widmen kann. Quarteera e.V. ist eine russischsprachige LGBT-Organisation in Deutschland.
Was ist eure Motivation hinter „Queer im Leben‘? Warum habt ihr es ins Leben gerufen? Welche Ziele verfolgt ihr mit dem Projekt?
Den Aufhänger für unser Projekt lieferte die Schlagzeile eines Zeit Online-Artikels, der Bezug auf die 2020 veröffentliche Umfrage der Agentur für Europäische Grundrechte (FRA) unter LGBTI-Personen in Europa nahm. Das Fazit der Studie war für uns wenig überraschend: Die Hälfte der queeren Menschen lebt ihre sexuelle Orientierung bis heute nicht offen aus.
Da wir drei uns bereits seit Langem aus unterschiedlichen Perspektiven und Motivationen heraus mit der LGBTQIA*-Gemeinschaft beschäftigen, wollten wir letztes Jahr ein Projekt auf die Beine stellen, das unsere Stärken mit unseren Interessenschwerpunkten vereint. Mit dem großen gesellschaftspolitischen Engagement von Michael inner- sowie außerhalb der Ruhr-Universität, Darias kulturwissenschaftlich weitreichender Expertise zum Thema und meiner Verbindung ins Alfried Krupp-Schülerlabor sowie den Erfahrungen, die ich über mehrere Jahre hinweg in der englischen LGBT+-Jugendarbeit sammeln konnte, musste sich etwas Fruchtbares ergeben!
Letztendlich möchten wir mit unserem Projekt die Sichtbarkeit des alltäglichen Lebens von LGBTQIA*-Personen in der Gesellschaft genauso fördern wie das Verständnis und Interesse für sie. Uns ist es ein Anliegen, dass queere Menschen ein Stück weit weniger vorverurteilt und diskriminiert werden – das geschieht nämlich noch immer Tag für Tag und nicht nur in osteuropäischen Ländern, sondern auch bei uns in den Schulen, bei Bewerbungsgesprächen oder – ganz platt und unvorhergesehen – beim Schlangestehen an der Supermarktkasse. Wir sind der Meinung: Das kann und darf nicht sein, denn wir sind alle nur Menschen! Unser Name ‚Queer im Leben‘ ist daher ein sprachlich ausformuliertes Augenzwinkern und bezieht sich auf die deutsche Redensart, jemand stehe „mit beiden Beinen‘ fest im Leben.
Slavistik ist ja schon ein eher spezielleres Fach. Warum ist hier eine queere Perspektive nötig?
Die Lebensverhältnisse von in Russland lebenden LGBTQIA*-Personen haben sich in den vergangenen Jahren beispielsweise so besorgniserregend verschlechtert, dass wir dies im Rahmen der slavischen Kulturwissenschaft thematisieren wollen und auch müssen – weil das Thema mehr Publizität braucht. Das mag den ein oder anderen auf den ersten Blick vermutlich wundern, allerdings reicht ein kurzer Streifzug durch die russische Rechtsgeschichte, um die Problematik dahinter zu verstehen:
Mit der Abschaffung des Paragrafen 121.1 im Mai 1993, durch den zuvor homosexuelle Kontakte mit Gefängnisstrafen belegt werden konnten, wurde die Regenbogengemeinschaft in Russland entkriminalisiert. Man ermöglichte somit im gleichen Atemzug einer zunehmend nach Öffentlichkeit strebenden LGBTQ-Bewegung, ihre Interessen offener als zuvor zu vertreten und endlich gehört zu werden.
Im Jahr 2013 änderte das sogenannte „Gesetz gegen homosexuelle Propaganda“ die Atmosphäre im Land jedoch erneut und zwang die queere Szene zurück ins Verborgene.
Die Abneigung gegen Homosexualität und das Tätigen homophober Aussagen ist in weiten Teilen der russischen Gesellschaft seitdem wieder salonfähig. Hasskriminalität nimmt zu. Immer wieder hört man Nachrichten aus verschiedenen russischen Regionen über ungeklärte Todesfälle sowie Verfolgungen, Verhaftungen und Folterungen von Homosexuellen.
Zwar sind homosexuelle Handlungen bis zum heutigen Zeitpunkt legal, jedoch werden Menschen überwiegend tabuisiert, die nicht Teil der staatlich propagierten, heteronormativen Gesellschaft sind. Diese sich daraus entwickelnde Ablehnung gegenüber sexuellen Minderheiten spiegelt sich allerdings nicht nur in der russischen Bevölkerung des 21. Jahrhunderts wider, sondern nimmt auch in anderen osteuropäischen Staaten, wie beispielsweise in Polen oder der Ukraine, einen festen Platz ein. Die Bemerkungen des tschetchenischen Oberhauts Ramsan Kadyrow, es gäbe keine Homosexuellen in seinem Land und „Sollten da welche sein, dann bringt sie nach Kanada!“, sind dabei nur die Spitze des Eisbergs.
Ich habe gelesen, dass ihr einen Projekttag mit Schüler*innen plant. Was sind die Inhalte des Tages und was möchtet ihr den Schüler*innen vermitteln?
Der übergeordnete Gedanke des Projekttags am Alfried Krupp-Schülerlabor ist es, den Brückenschlag zwischen kulturwissenschaftlicher Theorie und gelebter Praxis zu vollziehen. Daher bekommen die Schüler*innen in der ersten Lehreinheit einen Einblick in die akademische Arbeitswelt, indem wir sie mit der slavischen Forschung zur LGBTQ-Entwicklung Russlands mithilfe einer Art verkürzten Vorlesung vertraut machen.
Der zweite Teil ist als interaktives Format angelegt, in dem wir zahlreiche LGBTQIA*-Interessensvertretungen und ihr Wirken in verschiedenen Ländern vorstellen. Eines der Lernziele soll hierbei die Erkenntnis sein, dass bei der Arbeit von queeren Organisationen verschiedene Schwerpunkte – zum Beispiel Migration, Safer Sex oder psychische Gesundheit – gesetzt werden und sich diese historisch bedingt aus den unterschiedlichen Bedürfnissen der Community heraus (weiter-)entwickelt haben.
Im Anschluss erfolgt in der dritten Phase die selbstständige Aufarbeitung des Themenkomplexes in Kleingruppen mit einem Forschungsauftrag zu bereitgestellten und inhaltlich zusammenhängenden Theorie- und Praxisstationen. Angeleitet und unterstützt werden sie neben abgestimmten Lernmaterialien zum Lesen, Hören und Anfassen auch von mir und den im Vorfeld geschulten Projektleiter*innen.
Die Schüler*innen sollen sich auf diese Weise mit der Rezeption der LGBTQ-Gemeinschaft in Ost- und Westeuropa auseinandersetzen und ein Gespür für die Probleme und Bedürfnisse von LGBTQIA*-Menschen bekommen.
Der Projekttag ist ein Angebot, das sich primär an Schulklassen der fortgeschrittenen Sekundarstufe I sowie der Sekundarstufe II richtet, die sich gemäß des nordrhein-westfälischen Kernlehrplans mit Gleichstellungsthemen und im Besonderen mit der Regenbogengemeinschaft auseinandersetzen wollen.
Wofür steht das „+‘ hinter LGBT+?
Das „+‘ steht stellvertretend für weitere Geschlechtsidentitäten wie beispielweise „queer‘, „inter-‚ oder „asexuell‘. Die Bezeichnung „LGBT+‘ ist quasi nichts anderes als eine verkürzte Schreibweise von LGBTQIA* (lesbian, gay, bisexual, trans, queer, inter, asexual). Sie kommt bei uns immer dann zum Einsatz, wenn wir an unsere sprachlichen Gestaltungsgrenzen stoßen.
Wie ist die aktuelle Lage der queeren Community in Osteuropa? Sind die deutsche und die osteuropäische Community miteinander vernetzt?
Für die queere, osteuropäische Gemeinschaft ist das Internet nicht erst seit der Covid 19-Pandemie das Kommunikationsmedium der Wahl. In den letzten fünfzehn Jahren avancierte das WorldWideWeb zu der wichtigsten Plattform für den Austausch und Zusammenschluss untereinander. Aufgrund der überdauernden, feindlichen Atmosphäre in Russland ist man schlicht und ergreifend darauf angewiesen, vor allem über die Neuen Medien zu interagieren und weniger im direkt-persönlichen Austausch zu stehen – wenngleich dieser natürlich auch weiterhin stattfindet! Im Netz sind daher nicht nur zahlreiche Aktivist*innen anzutreffen, sondern auch Projekte und zivilgesellschaftliche Initiativen, wie zum Beispiel die NGO Rossijskaja LGBT-Set‘, Deti-404 oder die LGBT-Filmfestspiele „Bok o Bok‘. Natürlich gibt es auch etliche Onlineforen von und für bisexuelle, trans* Personen und vieles mehr.
Vor knapp zwei Monaten hatte ich zudem die Möglichkeit, mich online mit Mitgliedern der lesbisch-feministischen Organisation Sfera in Charkiw über queere Bildungsarbeit in Deutschland, der Ukraine und dem Vereinigten Königreich auszutauschen. Wir sprachen unter anderem über die Pride Parade in der Stadt, die erstmalig (!) 2019 stattfand, aber auch über eine rechtsradikale Gruppierung, die aus Langeweile heraus einen Filmabend in ihrem Gemeinschaftszentrum zu boykottieren versuchte – und scheiterte. Im Jahr 2020 hatte das Zentrum zu diesem Zeitpunkt bereits 19 Angriffe und Vandalismusattacken verzeichnen müssen.
Gibt es also die Vernetzung der deutschen und osteuropäischen Community? Jein. Sie findet vornehmlich im Privaten statt oder – wie in meinem Fall mit den Ukrainer*innen – im kleinen, halböffentlichen Kreis. Das liegt einerseits daran, dass ein Teil der queeren Osteuropäer*innen ihre Heimat zurücklässt, um sich aus dem Ausland heraus für LGBTQIA*-Rechte einzusetzen. Andererseits unterscheiden sich die innenpolitischen Herausforderungen, mit denen sich die LGBTQ-Bewegungen der jeweiligen Länder im direkten Vergleich konfrontiert sehen. Viele Kontakte nach Westeuropa, Kanada und in die USA hat jedoch beispielsweise Rossijskaja LGBT-Set‘. Nach den Massenverhaftungen, Folterungen und Ermordungen homosexueller Männer in Tschetschenien 2017 war in diesem Zusammenhang Deutschland eines der Länder, das den Verfolgten Asyl gewährte. Ich vermute allerdings, dass erst dann eine größere und vor allem sichtbare internationale Vernetzung stattfinden wird, wenn Probleme auf nationaler Ebene nachhaltig aufgelöst worden sind.
Möchtest du noch etwas über das Projekt sagen?
Die Zielgruppe unseres Projekts umfasst zwar primär Studierende, Schüler*innen und Lehrende, jedoch können sich auch weitere Interessierte gern und jederzeit mit uns zum Beispiel auf Instagram vernetzen oder an der im Sommer 2021 stattfindenden, öffentliche Vortragsreihe von „LGBTQ in Russland: Zwischen Politik, Medien und Kunst“* teilnehmen. Wir werden dort anhand konkreter Beispiele für Menschenrechtsverletzungen, sprich die von LGBTQIA*-Personen in Osteuropa, gemeinsam mit Gästen erörtern, warum sowohl Homo- als auch Xenophobie im Jahr 2021 noch immer eine Rolle im täglichen Miteinander spielen. Bei unserer Arbeit ist es uns nämlich besonders wichtig, dass wir in den Dialog mit anderen treten.
Die Einstellung der russischen „Otto-Normalverbrauchenden‘ zu den Themen Gleichheit und LGBT ist übrigens auch alles andere als eindeutig. Viele wollen überhaupt nicht darüber sprechen, andere reagieren bei einem Gesprächsversuch aggressiv und manche haben schlicht und ergreifend Angst vor dem Fremden. Es mag banal klingen, aber es ist so. In Deutschland scheint man da ein paar Schritte weiter zu sein, wenngleich auch hier weiterhin Vorverurteilungen und Ausgrenzungen im großen Stil stattfinden.
Uns ist letzten Endes bewusst, dass unser Projekt bei Weitem nicht alle Probleme der queeren Community in Deutschland und Osteuropa lösen kann. Wir möchten uns allerdings dafür engagieren, dass sich unsere Gesellschaft wieder stärker mit unbequemen Themen auseinandersetzt.
* Das gleichnamige Proseminar findet im Sommersemester 2021 freitags von 12 bis 14 Uhr statt.
Sexualisierte Gewalt und Diskriminierung sind sensible und komplexe Themenfelder, deren Abbau einer gemeinsamen Anstrengung bedarf. Erschwerend hinzu kommen die sozialen Netzwerke als elementare Kommunikationsplattformen von Schüler*innen, die neue Herausforderungen im Umgang mit Gewalt und Mobbing bergen. Für die Umsetzung einer erfolgreichen Präventionsarbeit und der notwendigen Unterstützung von Betroffenen sind Sensibilität, eine offene und respektvolle Kommunikation und das Erkennen von Grenzen jedoch die Grundvoraussetzung. Ziel des Workshops ist es, spezifische Bedarfe zu identifizieren und Awareness- und Empowermentstrategien zu vermitteln.
Dieser Artikel entstand im Rahmen des Seminars „Toxic Masculinity, Femizid, Kindsmörderin – Das Verhältnis von Gewalt und Geschlecht – eine Einführung“ (SoSe 2020).
Autorin: Lena Spickermann
42.954 Studierende sind aktuell an der Ruhr-Universität Bochum eingeschrieben wie der Webseite der Hochschule zu entnehmen ist. In dieser auf den ersten Blick schwindelerregend hohen Anzahl, sind noch nicht die dauerhaft Beschäftigten, ausländischen Studierenden, international Promovierenden und die Gäste der RUB inbegriffen. Sie alle finden Platz auf einem weitläufigen Campusgelände, das für sich genommen fast wie eine eigene Miniatur-Stadt anmutet, in der man leicht die Orientierung verlieren kann. Führt man sich diese Ausmaße vor Augen, wird schnell klar, dass es sich hier nicht allein um gleichgesinnte und Personen mit demselben Wissensstand handeln kann. Man kann im Anbetracht dieser Vielzahl wohl eher davon ausgehen, dass diese einen Querschnitt der Gesamtgesellschaft bilden, die sich durch eine Vielfalt von demografischen Eigenschaften, Einstellungen, Interessen und Positionen auszeichnet.
Als weitere Konsequenz folgt, dass auch und insbesondere Universitäten nicht von sexualisierter Belästigung, Gewalt, Benachteiligung und unterschiedlichen Formen der Diskriminierung befreit sind. Dieses „insbesondere“ ist einerseits dem Selbstverständnis von Universitäten als Orte des Wissens und der Aufklärung geschuldet. Sie sehen sich in dieser Rolle losgelöst von sozialen Problemstellungen wie etwa sexualisierter Gewalt und rücken diese damit aus dem öffentlichen Blickfeld. Andererseits und damit zusammenhängend besteht häufig sowohl bei den Betroffenen als auch bei den Ausübenden von sexualisierter Belästigung, Gewalt und Diskriminierung ein geringes Bewusstsein für derartige Phänomene – sie sind sich zum einen nicht der Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse, die an Universitäten sehr stark ausgeprägt sind, bewusst, oder erkennen die eigenen und die Grenzen anderer nicht (rechtzeitig), sodass es zu deren Überschreitung kommt. Ebenso spielen strukturelle Ungleichheiten eine wesentliche Rolle, die sich bspw. an den Kategorien Geschlecht, Klasse, Herkunft, Sexualität wie auch Geschlechtsidentität ablesen lassen. Sie führen dazu, dass gerade Frauen sexualisierte Gewalt, Belästigung und Benachteiligung erleben. Die (potentielle) Betroffenheit kann sich in Kombination mit den weiteren Ungleichheitsfaktoren außerdem verstärken, sodass z.B. Women of Color oder nicht-binäre Personen einer besonderen Gefahr ausgesetzt sind.
Ohne Zweifel ergibt sich daraus eine umfassende Verantwortung der Universitäten gegenüber ihren Studierenden und Mitarbeiter*innen wie auch ein dringender Handlungsbedarf zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt, Belästigung und Diskriminierung. Doch ist es mit dieser Erkenntnis nicht getan. Wichtiger noch sind die Schritte, die zu diesem Ziel hinführen können und dieses nicht zu einem leeren Lippenbekenntnis verkommen lassen. Neben schon bestehenden Ansätzen und Maßnahmen sollen an dieser Stelle weitere Vorschläge für Präventions- und Awareness-Strategien vorgestellt werden. Aufgrund der studentischen Perspektive, aus der heraus dieser Artikel geschrieben wird, ergeben sich daraus bestenfalls neue Impulse und Implikationen für die Prävention und den Umgang mit sexualisierter Gewalt, Belästigung und Diskriminierung an Hochschulen:
Viele Strategien, die sexualisierter Gewalt und Belästigung vorbeugen sollen, richten sich vor allem an die (potentiell) Betroffenen. Sie bekommen in diesem Zuge Techniken und Verhaltensweisen handgereicht, die ihrem Selbstschutz dienen sollen. Führt man sich vor Augen, dass eine Bewältigung von sexualisierter Gewalt und Belästigung nur durch einen kulturellen Wandel – die Überwindung von Diskriminierungsformen wie u.a. Sexismus und Misogynie – bewirkt werden kann, bedarf es aber eines ganzheitlichen Problemlösungsansatzes, der alle Mitglieder der Universität miteinschließt. Dabei müssen auch und gerade die (potentiell) Ausübenden von sexualisierter Gewalt, Belästigung und Diskriminierung explizit adressiert werden – Studenten, Mitarbeiter und Professoren der Universität. Wichtig dabei ist es, allen gleichermaßen mit den dafür zu Verfügung stehenden Mitteln ein Bewusstsein für unterschiedliche Formen der Ungleichbehandlung und darauf fußender sexualisierter Belästigung und Gewalt zu erwecken. Dem ist außerdem im gegenseitigen Umgang eine allgemeingültige Handlungsorientierung des Konsenses hinzuzufügen, die dazu aufruft, die persönlichen Grenzen des Gegenübers zu erfragen und ebenso zu respektieren. Beide Aspekte müssen über verschiedene Wege und Kanäle vermittelt und nachhaltig gefestigt werden.
Awareness schaffen
Denkbar wäre eine verpflichtende Veranstaltungsreihe für Studienanfänger*innen (Bachelor und Master) aller Studiendisziplinen, die von unterschiedlichen Akteur*innen aus dem Hochschulkontext (Mitarbeiterin von ‚Unser Campus‘, zentrale Gleichstellungsbeauftragte, Lehrende der Gender Studies, Ansprechpartner*in für trans* und inter* Personen, Lehrende aus der Kriminologie etc.) ebenso wie aus externen Anlaufstellen (Betroffenenberatungsstellen wie auch lokale Organisationen, die sich bemühen, männlich gelesene Eigenschaften, die zu sexistischer Diskriminierung führen können, abzubauen) geführt wird. Um einen disziplinübergreifenden Erfahrungsaustausch zu gewährleisten und die Entstehung von unterschiedlichen Umgangs- und Akzeptanzweisen von sexualisierter Gewalt, Belästigung und Diskriminierung zu vermeiden, sollten diese Veranstaltungen zentral stattfinden. Koordinierungsherausforderungen könnten durch eine Kombination von On- und Offline-Formaten gelöst werden, mit dem Ziel allen Studierenden ein möglichst alltagspraktisches Bewusstsein für sexualisierte Gewalt, Belästigung und Diskriminierung wie auch für einen konsensorientierter Umgang zu vermitteln.
Diese Zielsetzung setzt außerdem einen öffentlichkeitsnahen, über die Universität hinausweisender Austausch voraus. Über diesen werden u.a. Studieninteressierten die Prinzipien der Universität in der Überwindung von Diskriminierungen, sexualisierter Gewalt und Belästigung vermittelt. Für eine geschlossene Repräsentation der Universität als entschlossene Kämpferin gegen jedwede Diskriminierung und sexualisierte Gewalt oder Belästigung bedarf es eines Veranstaltungskonzepts, dass die Vielstimmigkeit des Hochschulbetriebes widerspiegelt und Vertreter*innen einzelner Bereiche zu Wort kommen lässt. So könnte etwa eine Podiumsdiskussion mit Beschäftigten aus der Kampagne ‚Unser Campus‘, dem Asta, der psychologischen Studienberatung, der OASE, des Hochschulsports, des zentralen Gleichstellungsbüros, aber auch dezentrale Gleichstellungsbeauftragte einzelner Disziplinen aus ihrem Berufsalltag im Zusammenhang mit dem Thema sexualisierte Gewalt, Belästigung und Diskriminierung berichten. Darauffolgend könnten sie geeignete Lösungsstrategien im Sinne einer ‚Hochschule für Alle‘ aus ihren jeweiligen Blickwinkeln aufzeigen.
Ein breites Workshopangebot
Eine weitere Strategie, die auf unkomplizierte, aber ebenso effektive Weise für eine konsensorientierte Begegnung zwischen Studierenden plädiert und auf Formen sexualisierter Gewalt, Belästigung und Diskriminierung hinweist, ist die universitätsweite Aushändigung von Infomaterial an Studienanfänger*innen, Besucher*innen von Hochschulparties und Bewohner*innen von AKAFÖ-Studierendenwohnheimen. Dies kann in sogenannte Goodie-Bags zusammen mit anderen Materialien und Geschenken integriert werden, sodass die Gefahr einer vorschnellen Entsorgung minimiert wird. Neben Handreichungen, die auf das Problem der sexualisierten Gewalt, Belästigung und Diskriminierung im allgemeinen hinweisen, sollten darin auch Broschüren enthalten sein, die Studenten vermitteln, wie sie zu verantwortungsvollen Allies werden und vor allem Studentinnen und LSBTQI-Studierende Anlaufstellen für Betroffene von sexualisierter Gewalt und Belästigung aufzeigen.
Neben vereinzelten angeleiteten Workshop-Angeboten zur Stärkung des Selbstvertrauens von Studentinnen wäre die Einrichtung eines langfristig angelegten (digitalen) Austauschraums wünschenswert. In diesen erhalten Studentinnen und LSBTQI-Studierende die Möglichkeit, in geschützter Atmosphäre über eigene Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt, Belästigung und Diskriminierung zu sprechen und so einen gemeinsamen Erfahrungshorizont zu bilden. Parallel dazu könnte die Etablierung eines regelmäßigen Treffens zwischen Studenten hilfreich sein, in dem, in Anwesenheit eines*r geschulten Expert*in, über männlichen Privilegien, aber auch sie selbst und andere schädigende Männlichkeitsnormen und -vorstellungen diskutiert werden kann.
Universitärer Wandel? Nicht ohne Studierendenperspektive!
All diese Vorschläge setzen eine engmaschige Vernetzung aller universitären Instanzen, die sich der Überwindung von sexualisierter Gewalt, Belästigung und Diskriminierung an Hochschulen widmen, voraus – wichtig ist, die studentische Perspektive immer zum Ausgangspunkt aller Aktivitäten zu machen und somit, neben der Einbeziehung des Astas und studentischer Gleichstellungsbeauftragter, immer wieder Umfragen und Feedbackrunden zu veranlassen. Denn: Eine Universität ohne die genannten Formen der Unterdrückung und Ungleichheiten setzt die Einbeziehung der Perspektiven all ihrer Mitgliedergruppen voraus.
Vergangenen Samstag (31.10.20) war es soweit: der RUB Teachers‘ Day wurde nachgeholt! Laura Chlebos, Projektkoordinatorin von Unser Campus, war auch mit einer Online-Veranstaltung zu den Themen sexualisierte Gewalt und Awareness in Schulen dabei.
Ein Resümee.
Sexualisierte Gewalt ist kaum ein Thema in der Lehrer*innenausbildung oder später in der beruflichen Praxis – zu diesem Ergebnis kamen Prof. Dr. Sandra Glammeier und Ihre Kolleg*innen im BMBF-Forschungsprojekt „Sexualisierte Übergriffe und Schule – Prävention und Intervention“ im Jahr 2015. Und auch der am vergangenen Samstag durchgeführte Workshop Unser Schulhof im Rahmen des Rub Teachers‘ Day 2020 machte deutlich: Hier besteht weiterhin Nachholbedarf!
Eine Umfrage unter den Teilnehmer*innen der Veranstaltung ergab, dass nur 5% das Thema bereits im Studium begegnet ist und 11% schon mal eine Fortbildung in diesem Bereich besucht haben.
Obwohl der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) die Schule als Aktionsfeld Nr.1 der Prävention ausmacht und davon ausgeht, dass 1-2 Kinder pro Klasse sexualisierte Gewalt erlebten oder erleben, haben die wenigsten Schulen Schutzkonzepte zur Prävention und für den Ernstfall entwickelt.
Gesellschaftliche Mythen rund um die Themen Sexualität und sexualisierte Gewalt (Victim Blaming, Zweifel an der Realität sexualisierter Gewalt) gepaart mit fehlenden Fortbildungen und Handlungsorientierungen schüren Unsicherheit und begünstigen Übergriffe. Aus der Praxis wird jedoch deutlich, dass Kinder und Jugendliche aufgrund des hohen Schampotenzials bei sexualisierter Gewalt äußerst selten lügen, sagt Ursula Schele vom PETZE-Institut.
Deutlich wird, Prävention und Schutz muss auf zwei Ebenen ansetzen: bei den Lehrkräften selbst und auf der Ebene der Institution Schule.
Daraus ergaben sich folgende Ziele für den Workshop:
den Unterschied zwischen Grenzüberschreitungen, Übergriffen und strafrechtlich relevanten Form der Gewalt erkennen,
Awareness und Sensibilität für Grauzonen und das subjektive Empfinden der Betroffenen schaffen,
Handlungsmöglichkeiten zur Erarbeitung eines Schutzkonzepts für die eigene Schule mit an die Hand geben.
Zum Weiterlesen:
Sexualisierte Gewalt
Bauer, U. et al. (2019): Prävention von sexualisierter Gewalt in der Schule. Erste Erfahrungen mit einem niedrigschwelligen Ansatz für Lehrkräfte und Kinder im Grundschulalter. In: Wazlawik, M. et al. (Hrsg.): Sexuelle Gewalt gegen Kinder in pädagogischen Kontexten. Aktuelle Forschungen und Reflexionen, S. 181-193. Wiesbaden: Springer.
Bezirksregierung Arnsberg: „Sexualisierte Gewalt in der Schule Leitfaden zum Umgang mit Verdachtsfällen sexueller Grenzverletzungen, Übergriffe und Straftaten durch Lehrkräfte und weitere Beschäftigte in der Schule“ (online)
Enders, U. et al. (2010): Zur Differenzierung zwischen Grenzverletzungen, Übergriffen und strafrechtlich relevanten Formen der Gewalt im pädagogischen Alltag (online)
GEW NRW (2019): Vor sexueller Gewalt in Schule schützen (online)
GEW NRW (2019): Täter*innen verstecken sich oft anonym im Netz! Mädchen und frauen online und offline schützen. In: GEW NRW (Hg.): lautstark. Dein Mitgliedermagazin, S. 46-48. Essen.
Glammeier, Sandra (2019): Sexuelle Gewalt und Schule. In: Wazlawik, M. et al. (Hrsg.): Sexuelle Gewalt gegen Kinder in pädagogischen Kontexten. Aktuelle Forschungen und Reflexionen, S. 197-209. Wiesbaden: Springer.
Tiefenthal, Anja (2018): Sexuelle Gewalt und Schule: Was Lehrkräfte wissen müssen (online)
Tiefenthal, Anja (2018): Ein bis zwei Kinder pro Klasse sind Missbrauchsopfer (online)
Digitale Gewalt
Jugendschutz.net (2019): Sexualisierte Gewalt online. Kinder und Jugendliche besser vor Übergriffen und Misbrauch schützen (online)
Amadeu Antonio Stiftung: Was ist Hate Speech? (online)